Corona-Einschränkungen sind kein Kündigungsgrund
Nutzungsbeschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 rechtfertigen nur im Ausnahmefall eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrags.
(BGH, Urteil vom 11. Januar 2023, Az. XII ZR 101/21)
Der Fall
Ein Vermieter und sein Mieter waren über einen Gewerberaummietvertrag verbunden. Vorgesehen war die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit 120 Personen. Aufgrund der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie konnte die Veranstaltung nicht wie geplant im August 2020 in der vorgesehenen Form stattfinden. Der Mieter kündigte den Mietvertrag außerordentlich.
Die Folgen
Der BGH hält die Kündigung für unwirksam. Es liegt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. § 313 BGB sieht jedoch als Rechtsfolge die Anpassung und nur im – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefall eine Kündigung des Vertrags vor. Die Entscheidung liegt auf der Linie der bisherigen BGH-Rechtsprechung zu den Pandemiefolgen. Fraglich ist, ob das Urteil des XII. Zivilsenats auch auf aktuelle Problemfelder der Gewerberaummiete angewendet werden kann. Denn die „große Geschäftsgrundlage“ soll betroffen sein, wenn die Erwartung der Vertragsparteien enttäuscht wird, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Krieg, Hyperinflation oder eine Naturkatastrophe ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert wird.
Was ist zu tun?
Bereits durch die stark gestiegene Inflation und die Mieterhöhungen, die hieraus in vielen Gewerberaummietverträgen aufgrund der Wertsicherungsklauseln erfolgen, steht man aktuell wieder vor der Frage, ob der Anwendungsbereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegeben ist. Dies ist nicht ganz fernliegend, da die meisten Verträge in Zeiten jahrelang moderater Änderungen des Verbraucherpreisindexes für Deutschland abgeschlossen wurden. Außerdem wird das sich gegenwärtig verwirklichende Risiko der Energiekostensteigerungen dem Vermieter über die Umlage der Betriebskosten vom Mieter bereits abgenommen. Dies hat zur Folge, dass der Mieter bei isolierter Betrachtung des Gewerberaummietvertrags doppelt belastet wird. Der Vermieter wird hingegen doppelt begünstigt, insbesondere wenn er während der Niedrigzinsphase seine Objektfinanzierung günstig langfristig eingedeckt hat. Ebenso stellt sich bei Vermietungen vom Reißbrett zumindest bei Verträgen, die vor Februar 2020 abgeschlossen wurden, die Frage, ob dem Vermieter aufgrund der extrem gestiegenen Baukosten ein Vertragsanpassungsanspruch zusteht. Die schwammige Formulierung des § 313 BGB lässt nahezu jedwede Entscheidung zu. Der BGH, der den Instanzgerichten insoweit einen weiten Ermessensspielraum ausdrücklich eröffnet, trägt zur Präzisierung und Vorhersehbarkeit wenig bei. Die entstehende Rechtsunsicherheit wird sicherlich eine große Zahl an Prozessen hervorbringen.
(Quelle: WIR BNS, Dr. Ulrich Leo von WIR Breiholdt Nierhaus Schmidt in Immobilien Zeitung 23.2.2023, Ausgabe 8/2023)