Abstandflächen muss es auch in geschlossener Bauweise geben
Auch in der geschlossenen Bauweise darf nicht überall an die Grundstücksgrenze herangebaut werden, der Bauherr muss Abstandflächen zur hinteren Grenze einhalten. (OVG NRW, Urteil vom 2. März 2018, Az. 10 A 388/16)
DER FALL
Das Grundstück, auf dem das umstrittene Vorhaben realisiert werden sollte, ist in geschlossener Bauweise bebaut. Deswegen wurde ein erstes Gebäude dort an die seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut, ohne dass Abstandflächen eingehalten wurden. Im hinteren Bereich liegt eine Garage, die an die rückwärtige, nicht aber an die seitlichen Grundstücksgrenzen stößt. Der Bauherr möchte diese Garage um drei Geschosse aufstocken und Wohnungen errichten. Er ist der Auffassung, dass in der geschlossenen Bauweise auch zur hinteren Grundstücksgrenze keine Abstandflächen eingehalten werden müssen. Zwar werde ein Bestandsgebäude verändert, aber nachbarliche Interessen würden dadurch nicht berührt. Deshalb sei die beantragte Änderung des Gebäudes abstandflächenrechtlich zulässig. Die Bauaufsichtsbehörde erteilt dem Bauherrn die Baugenehmigung. Der Nachbar des Grundstücks, an das die Garage angrenzt, erhebt Anfechtungsklage dagegen und beruft sich auf einen Abstandflächenverstoß zu seinen Lasten.
DIE FOLGEN
Das Oberverwaltungsgericht hebt die Baugenehmigung in zweiter Instanz auf. Zwar ist es in der geschlossenen Bauweise grundsätzlich zulässig, dass ohne die Einhaltung von Grenzabständen gebaut wird. Das bezieht sich jedoch in erster Linie auf die seitlichen Grundstücksgrenzen. Daraus folgt keinesfalls, dass auch an die hintere Grundstücksgrenze unmittelbar angebaut werden darf – dies ergibt sich eindeutig aus den abstandflächenrechtlichen Vorschriften, so das Gericht. Die Aufstockung um drei Geschosse mit Wohneinheiten hat zudem eine andere Belastungsqualität als eine eingeschossige Garage mit rund 20 Stellplätzen. Darum kann das Vorhaben auch nicht nach Abwägung mit den nachbarlichen Belangen als privilegierte Änderung im Bestand zugelassen werden. Wegen der zusätzlichen Belastung für den Nachbarn liegen die Voraussetzungen von § 6 Abs. 15 BauO NRW nicht vor. Die Aufstockung des Gebäudes führt vielmehr abstandflächenrechtlich zu einer Neubewertung der Gesamtanlage.
WAS IST ZU TUN?
Die geschlossene Bauweise ermöglicht durch den Verzicht auf seitliche Abstandflächen zwar eine intensivere Ausnutzung eines Grundstücks, jedoch gilt dies nicht grenzenlos. Das Oberverwaltungsgericht stellt klar, dass auch hier nicht auf Abstandflächen zu allen Seiten verzichtet werden darf. Es betont außerdem, dass auch bei privilegierten Änderungsvorhaben die nachbarlichen Interessen wichtig sind. Verhindert wird letztlich zudem eine ausufernde bauliche Nutzung des Baugrundstücks, weil angenommen wird, dass die Anlage neu bewertet werden muss.
(Quelle: Immobilien Zeitung 20.9.2018, Ausgabe 38/2018)