Abwendungsvereinbarungen können gekündigt werden
Besteht ein kommunales Vorkaufsrecht im Milieuschutzgebiet nicht, sind Abwendungsvereinbarungen, die dennoch abgeschlossen wurden, kündbar.
(VG Berlin, Beschluss vom 9. September 2022, Az. 19 L 112/22 (nicht rechtskräftig))
Der Fall
Um das gemeindliche Vorkaufsrecht abzuwenden, hatte die Käuferin eines Mehrfamilienhauses in einem Milieuschutzgebiet eine Abwendungsvereinbarung mit dem Land Berlin abgeschlossen. Das Land beantragte nun den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Dienstbarkeit gemäß Abwendungsvereinbarung in das Grundbuch eingetragen werden sollte. Hiergegen wehrte sich die Käuferin: Dem Land habe nie ein Vorkaufsrecht zugestanden, weshalb die Abwendungsvereinbarung nichtig, zumindest aber zulässigerweise von ihr gekündigt worden sei.
Die Folgen
Das VG Berlin hat die Nichtigkeit im konkreten Fall verneint, hält die Kündigung aber für rechtmäßig und hat somit den Antrag des Landes Berlin zurückgewiesen. Das Gericht bezieht sich dabei auf das Urteil des BVerwG (Az. 4 C 1.20), wonach es bei der Ausübung des kommunalen Vorkaufrechts in Erhaltungsgebieten nur auf die aktuelle Bebauung und Nutzung, nicht aber auf künftige Nutzungsabsichten ankommt (siehe auch „Berliner Vorkaufsrecht ist gekippt“). Da das Grundstück hier beim Abschluss der Abwendungsvereinbarung entsprechend der Erhaltungsverordnung genutzt wurde, stand dem Bezirk Neukölln kein Vorkaufsrecht an der Immobilie zu. Daraus folgt zwar nicht, dass die Vereinbarung nichtig ist, da es sich mit Blick auf die Verhandlungshistorie um einen Vergleichsvertrag gehandelt hat. Jedoch konnte die Käuferin den Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kündigen. Infolge des nunmehr entstandenen, eklatanten Missverhältnisses zwischen ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag und der behördlichen Gegenleistung ist ihr ein Festhalten daran nicht mehr zumutbar gewesen.
Was ist zu tun?
Der Beschluss des VG Berlin ist die erste lang erwartete Folgeentscheidung zum Urteil des BVerwG zur rechtswidrigen Vorkaufsrechtspraxis und damit ein Wegweiser für den behördlichen Umgang mit Kündigungen der Abwendungsvereinbarungen. Solche Rückabwicklungsbegehren werden künftig von großer praktischer Bedeutung sein. Eine Kündigung ist immer dann denkbar, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung über die Vorkaufsrechtsausübung nicht erhaltungswidrig bebaut war oder genutzt wurde. Darüber hinaus können Abwendungsvereinbarungen in bestimmten Fällen auch nichtig sein, insbesondere wenn kein Vergleichsvertrag vorliegt. Das ist der Fall, wenn die Abwendungsvereinbarung wie vom Bezirk vorgegeben unterschrieben wurde. Käufern ist in jedem Fall zu raten, die Vereinbarungen für ungültig zu erklären und hilfsweise zu kündigen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 27.10.2022, Ausgabe 43/2022)