Acker nebenan kann Baugenehmigung kippen
Werden auf einer landwirtschaftlichen Flächenkultur Pflanzenschutzmittel ausgebracht, muss ein Sicherheitsabstand von 2 m zu Nutzungen eingehalten werden, die mit dem Aufenthalt von Menschen verbunden sind. (VGH Bayern, Beschluss vom 19. Mai 2021, Az. 15 CS 21.1147)
DER FALL
Auf einem Grundstück im Außenbereich wurde eine Baugenehmigung für einen Kindergarten erteilt. Hinter dem Kindergarten sollte eine Freifläche entstehen: Im Grenzbereich zu einem angrenzenden Ackergrundstück war ein Streifen mit Wildsträuchern, Grünflächen und einer „Naschhecke mit Beerenobst“ vorgesehen. Der Eigentümer des Ackers reichte beim VG Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung ein und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung – erfolglos. Daraufhin erhob der Landwirt Beschwerde beim VGH. Er befürchtet, dass das Bauvorhaben ihn beeinträchtigt, da die Nutzer im Grenzbereich zu seinem Acker den von ihm verwendeten Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt werden.
DIE FOLGEN
Der VGH hat die aufschiebende Wirkung angeordnet. Durch den Bau des Kindergartens bzw. dadurch, dass Kinder das Grundstück bis an die Grenze zu dem Acker nutzen, werden die Möglichkeiten des Landwirts als privilegiert emittierender Nutzer voraussichtlich unzumutbar beeinträchtigt. Er müsste nämlich auf einer Strecke von 150 m in einem Abstand von 2 m zur Grundstückgrenze – also auf 300 m² – auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten, was seinen Ertrag wohl spürbar reduzieren würde. Werden Pflanzenschutzmittel ausgebracht, kann durch Abtrift auch ein immissionsschutzrechtlich relevanter Eintrag auf Nachbargrundstücke erfolgen. Auf Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes und der konkretisierenden Verwaltungsvorschriften ist ein Mindestabstand bei Spritz- und Sprühanwendungen in Flächenkulturen von 2 m erforderlich, aber auch ausreichend. Die Baugenehmigung wäre voraussichtlich rechtswidrig, da sie gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt (§ 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB).
WAS IST ZU TUN?
Gerade im Außenbereich können bereits ausgeübte privilegierte Nutzungen zu einer Beschränkung hinzutretender Nutzungen führen – wenn sich die Rahmenbedingungen unzumutbar verschlechtern, weil der Betrieb wegen der neuen Bebauung mit Beschränkungen rechnen muss. Das kann auch dazu führen, dass eigentlich positiv konnotierte Nutzungen, wie hier der Kindergarten, Beschränkungen hinnehmen müssen oder deren Baugenehmigung sogar als rechtswidrig zu beurteilen ist. Die Abstandsregelung von 2 m ergibt sich aus den einschlägigen Verwaltungsbestimmungen. Sie schützt nicht nur sensible Nutzungen, sondern kann auch beschränkende Wirkung zugunsten einer privilegierten, immissionsträchtigen Nutzung entfalten. Ein Antragsteller, der sich auf einen größeren oder geringeren Abstand beruft, muss konkret belegen, warum gerade bei ihm die Einhaltung dieses quasi genormten Abstands nicht ausreichen soll.
(Quelle: Immobilien Zeitung 16.9.2021, Ausgabe 37/2021)