Allzu viel Laub vom Nachbarbaum muss nicht geduldet werden

27. November 2019

Wenn von Bäumen oder Hecken auf dem Nachbargrundstück Laub, Nadeln oder Zapfen auf das eigene Grundstück herüberfallen, beeinträchtigt das den Eigentümer und er hat einen Anspruch darauf, dass diese Störung abgestellt wird. (BGH, Urteil vom 14. Juni 2019, Az. V ZR 102/18)

DER FALL
Zwei Eigentümer benachbarter Grundstücke streiten um herüberragende Äste. Ihre Grundstücke liegen im Bereich einer städtischen Baumschutzsatzung. Auf dem Grundstück des Beklagten steht im vorderen, zur Straße gelegenen Bereich an der gemeinsamen Grenze eine Douglasie, deren Äste auf das Grundstück des Klägers ragen und von denen Nadeln und Zapfen in großen Mengen (rund 480 Liter pro Jahr) auf die Grundstückseinfahrt des Nachbarn fallen. Er verklagt seinen Nachbarn und fordert, dass die überhängenden Äste und Zweige der Douglasie zurückgeschnitten werden.

DIE FOLGEN
Das Landgericht war der Ansicht, dass der Nachbar die Nadeln und Zapfen als „mittelbare Folgen“ der Äste dulden muss, unter anderem weil das „ortsüblich“ ist (§ 906 BGB). Der BGH sah das anders: Die Äste müssen zurückgeschnitten werden. Falls der Eigentümer dies wegen der städtischen Baumschutzverordnung nicht darf, kann er eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Der BGH stellt klar, dass es bei der Frage, ob der Nachbar die Äste dulden muss, nur auf die Regelung zum Überhang in § 910 Abs. 2 BGB ankommt und nicht auf § 906 BGB. Demnach darf der Nachbar herüberragende Äste selbst abschneiden (§ 910 Abs. 1 S. 2 BGB) oder vom Nachbarn die Beseitigung verlangen (§ 1004 BGB). Dies ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Überwuchs den Nachbarn nicht darin beeinträchtigt, sein Grundstück zu benutzen. Den Anspruch hat der Nachbar nicht nur bei Störungen, die unmittelbar durch den Überhang hervorgerufen werden – etwa wenn die Äste das Wohnhaus berühren oder die Gefahr besteht, dass sie abbrechen. Er hat ihn auch bei Beeinträchtigungen, die mittelbar durch den Überhang verursacht werden, etwa wenn Laub, Nadeln oder ähnliches auf sein Grundstück fallen.

WAS IST ZU TUN?
Eigentümer sind zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ihrer Grundstücke verpflichtet, sie dürfen Zweige und Äste nicht einfach über die Grundstücksgrenze wachsen lassen. Denn in solchen Fällen können auch herabfallendes Laub, Nadeln oder Zapfen dazu führen, dass der Nachbar einen Anspruch auf Rückschnitt der herüberragenden Äste und Zweige hat oder er das im Rahmen seines Selbsthilferechts selbst tun darf – soweit das herabfallende Laub objektiv dazu führt, dass er sein Grundstück nicht uneingeschränkt nutzen kann. Öffentliches Naturschutzrecht oder Landes- und Gemeinderecht mag im Einzelfall allerdings dazu führen, dass der Nachbar sein Selbsthilferecht oder seinen Beseitigungsanspruch nicht durchsetzen kann. Dies gilt aber nur, wenn der Eigentümer sich nicht von dem jeweiligen Verbot befreien lassen kann.

(Quelle: Immobilien Zeitung 21.11.2019, Ausgabe 47/2019)