Anspruch auf Mietkürzung wegen Corona ist gut zu begründen
Um zu prüfen, ob ein Gewerbemieter während der Corona-Pandemie Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags hat, ist eine Gesamtbetrachtung seiner wirtschaftlichen Situation erforderlich.
(BGH, Urteil vom 23. November 2022, Az. XII ZR 96/21)
Der Fall
Die Mieter eines Friseur- und Kosmetiksalons streiten sich mit dem Vermieter über die Miete für die Zeit der pandemiebedingten Betriebsbeschränkungen. Vom 23. März bis 3. Mai 2020 war der Betrieb des Friseursalons und das Erbringen von Kosmetikdienstleistungen komplett untersagt; in der Folgezeit mussten die Mieter umfangreiche Auflagen einhalten. Sie zahlten die Mieten für Mai, Juni und Juli 2020 nicht. Im Prozess haben sie vorgetragen, dass in den Monaten Mai bis Juli Einkünfte in Höhe von 28.500 Euro weggefallen seien. In dem Zeitraum von April bis August sei der Umsatz um mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen und sie hätten keine Staatshilfen erhalten.
Die Folgen
Die pandemiebedingten Betriebsschließungen und -einschränkungen haben nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH zu einer Systemkrise und wegen der weitreichenden Folgen zu einer Störung der großen Geschäftsgrundlage geführt. Gleichwohl können Mieter nur dann eine Anpassung verlangen, wenn ihnen ein Festhalten am unveränderten Mietvertrag unzumutbar ist. Ob dies der Fall ist, muss umfassend abgewogen werden, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Um ihren Anspruch auf Vertragsanpassung zu begründen, müssen Mieter ausführlich zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen ihres Geschäftsbetriebs vortragen. In gewissem Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach es nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz ankommt, muss nach Ansicht des BGH nun die wirtschaftliche Gesamtsituation des Mieters betrachtet werden. Hier blieb unter anderem unklar, ob und in welchem Umfang die Mieter Einsparungen während der Betriebsbeschränkungen hatten und wie sich der behauptete Umsatzrückgang auf das Geschäftsergebnis ausgewirkt hat. Deswegen konnten die Mieter keine Vertragsanpassung durchsetzen.
Was ist zu tun?
Auch nach dieser Entscheidung des BGH können von der Pandemie betroffene Geschäftsraummieter eine Vertragsanpassung für den Zeitraum betriebsbedingter Schließungen und Einschränkungen verlangen. Sie müssen aber alle Zahlen zur wirtschaftlichen Situation offenlegen, nicht nur die Umsatzrückgänge. Sie haben insbesondere darzulegen, ob und in welchem Umfang sie staatliche Unterstützungsleistungen erhalten haben bzw. warum ihnen diese nicht gewährt worden sind. Wer alle diese Umstände vorträgt, der wird, sofern für die Zeit der coronabedingten Einschränkungen noch keine Mietanpassung erfolgt ist, diese auch jetzt noch durchsetzen können.
(Quelle: Rechtsanwalt Dr. Michael Schultz von Müller Radack Schultz in Immobilien Zeitung 2.2.2023, Ausgabe 5/2023)