Baugenehmigung ersetzt nicht die Zustimmung des Nachbarn

27. April 2020

Ein Bauherr, der nicht zugleich Grundstückseigentümer ist, kann sein Bauvorhaben nicht gegen den Willen des Eigentümers verwirklichen, nur weil er eine Baugenehmigung erhalten hat. (OVG NRW, Beschluss vom 20. Mai 2019, Az. 10 A 1998/18)

DER FALL
In dem Rechtsstreit geht es um die Baugenehmigung für eine Tiefgarage. Sie soll nicht nur auf dem Grundstück des Bauherrn, sondern auch auf bzw. unter dem Nachbargrundstück errichtet werden. Die Eigentümer dieses Nachbargrundstücks wenden sich mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht gegen die Baugenehmigung. Sie machen geltend, dass die Genehmigung gar nicht hätte erteilt werden dürfen, weil sie dem Bauvorhaben nicht zugestimmt haben.

DIE FOLGEN
Sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Oberverwaltungsgericht bleiben die Grundstückseigentümer mit ihrer Klage ohne Erfolg. Die Baugenehmigung ist rechtmäßig. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob die Tiefgarage tatsächlich auch gebaut werden darf. Die Gerichte begründen ihre Entscheidungen übereinstimmend damit, dass hier zwischen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Fragestellungen getrennt werden muss. Die Frage, ob eine Baugenehmigung rechtmäßig ist, ist allein aus öffentlich-rechtlicher Sicht zu beurteilen. Sie wird erteilt, auch wenn private Rechte von Dritten bestehen. Das bedeutet, dass die Baugenehmigung dem Bauherrn nicht das Recht gibt, sein Vorhaben zivilrechtlich gegen den Willen des Grundstückseigentümers durchzusetzen. Daran ändern auch Bestimmungen in den Bauordnungen der Länder nichts, wonach für Bauvorhaben auf fremden Grundstücken die Zustimmung des Grundstückseigentümers gefordert werden kann. Dies regelt beispielsweise in Nordrhein-Westfalen § 70 Abs. 3 Satz 3 BauO NRW. Wenn die Baugenehmigungsbehörde die Zustimmung des Eigentümers einfordert, geschieht dies nicht, um festzustellen, ob das Vorhaben zivilrechtlich durchsetzbar ist, sondern um das Sachbescheidungsinteresse des Bauherrn zu prüfen. Die Frage, ob das Bauvorhaben zivilrechtlich realisiert werden kann, hatten das VG und das OVG nicht zu klären. Hierfür ist der Bauherr verantwortlich – und im Streitfall die Zivilgerichte.

WAS IST ZU TUN?
Bei Bauvorhaben auf mehreren Grundstücken kann sich der Bauherr nicht allein auf die erteilte Baugenehmigung verlassen. Sobald von einem grenzüberschreitenden Vorhaben andere Eigentümer betroffen sind, muss er eine zivilrechtliche Einigung beispielsweise über eine Grunddienstbarkeit herbeiführen. Nur so können bei der Realisierung des Projekts zivilrechtliche Abwehransprüche des oder der anderen Grundstückseigentümer verhindert werden. Der Bauherr muss also immer sowohl zivilrechtlich als auch öffentlich-rechtlich prüfen, ob er befugt ist, sein Vorhaben zu realisieren.

(Quelle: Immobilien Zeitung 23.4.2020, Ausgabe 17/2020)