Bauliche Änderungen lassen Bestandsschutz entfallen

02. Januar 2017

Bauliche Veränderungen an einem Gebäude, die zu einer Identitätsänderung des Bauwerks führen, lassen den Bestandsschutz entfallen. Ein erloschener Bestandsschutz lebt nicht automatisch durch Rückbau der Veränderung wieder auf. (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Oktober 2016, Az. 10 N 24.13)

DER FALL
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem Gartenhaus bebaut ist. Die zum Nachbargrundstück gelegene Außenwand hält nicht die Mindesttiefe der Abstandsfläche ein. Obwohl es sich daher um ein rechtswidrig errichtetes Gebäude handelt, genoss es gemäß § 11 Abs. 3 der Verordnung (VO) über Bevölkerungsbauwerke einen faktischen Bestandsschutz. Die Eigentümer haben auf das Dach des Gebäudes nachträglich eine Attika angebracht, wodurch die Außenwände insgesamt erhöht und die Dachneigung verändert wurde. Sie wenden sich gegen eine Abrissverfügung. Die Attika wurde während des Verfahrens entfernt.

DIE FOLGEN
Die Abrissverfügung ist rechtmäßig, weil das Gebäude rechtswidrig errichtet ist und sich die Eigentümer nicht auf Bestandsschutz berufen können. Ein ursprünglich wirkender Bestandsschutz entfällt, wenn die baulichen Maßnahmen zu einer Identitätsänderung des Bauwerks führen. Ein solches Aliud wird angenommen, wenn die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt wird und eine Neuberechnung der Statik erforderlich ist. Das OVG hat hier angenommen, dass die Anbringung der Attika und die dadurch verursachte Erhöhung der Außenwand eine wesentliche Veränderung darstellt, die auch eine statische Nachberechnung im Hinblick auf die Standfestigkeit erforderlich machen dürfte. Die Rechtswidrigkeit der Errichtung konnte nicht durch den Rückbau der Attika aufgehoben werden, da die ursprüngliche Rechtswidrigkeit auf der Nichteinhaltung der Abstandsflächen beruht. Die Beseitigung der Attika konnte den Bestandsschutz auch nicht wieder aufleben lassen, da die VO über Bevölkerungsbauwerke bereits 1990 außer Kraft getreten ist und somit keine bestandsschützenden Rechte mehr vermittelt.

WAS IST ZU TUN?
Genießt ein rechtswidrig errichtetes Gebäude Bestandsschutz, kann dieser Bestandsschutz durch bauliche Veränderungen entfallen. Der Eigentümer als Begünstigter des Bestandsschutzes muss daher darauf achten, dass er den Bestandsschutz nicht durch eigenes Handeln vernichtet. Insbesondere bei den folgenden Maßnahmen ist Vorsicht geboten: Beseitigung des Gebäudes, intensive bauliche Änderungen, Instandhaltungsmaßnahmen, die eine Neuberechnung der Statik erforderlich machen, endgültige Aufgabe der Nutzung oder Nutzungsänderungen. Über eine Abrissverfügung muss jedoch ermessensfehlerfrei entschieden werden. Ein Betroffener sollte daher prüfen, ob rechtmäßige Zustände nicht auf andere Weise hergestellt werden können, z.B. durch eine nachträgliche Baugenehmigung, einen Teilabriss oder eine Benutzungsuntersagung.

(Quelle: Immobilien Zeitung 22.12.2016, Ausgabe 51/2016)