Beim Etikettenschwindel muss Absicht nachweisbar sein
Ein Etikettenschwindel liegt vor, wenn eine Gemeinde in einem Bebauungsplan bewusst eine Festsetzung trifft, die sie eigentlich nicht will, um anderweitige Schwierigkeiten zu vermeiden.
(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2022, Az. OVG 10 S 17/21)
Der Fall
Ein Umweltverband beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO und wollte so die vorläufige – teilweise – Außervollzugsetzung eines bezirklichen Bebauungsplans erreichen. In diesem Bebauungsplan ist ein Teil des unmittelbar an einen See angrenzenden Plangebiets als öffentliche Parkanlage bzw. öffentliche naturnahe Grünfläche festgesetzt. Seinen Eilantrag stützte der Verband unter anderem darauf, dass es sich bei der Ausweisung des Parks um einen Etikettenschwindel handele. Denn das Land Berlin habe einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit einem Investor geschlossen, wonach vorgesehen sei, dass ein Großteil der Fläche, die als Parkanlage ausgewiesen ist, unter anderem mit einer Biergartenterrasse und einem sogenannten Wassergarten überbaut werden soll.
Die Folgen
Das OVG Berlin-Brandenburg lehnte den Eilantrag ab. Ein Etikettenschwindel liegt hier nicht vor. Es ist aus den Planunterlagen nicht erkennbar, dass der Plangeber die Grünflächenfestsetzungen nur vorgeschoben hat. Etwas anderes ergibt sich sich auch nicht aus dem Vertrag, weil dieser mit dem Land Berlin – und nicht mit dem Bezirk als Plangeber – geschlossen worden ist. Dass der Bezirk beabsichtigt habe, das in dem Vertrag skizzierte Vorhaben in dem Bebauungsplan selbst zu regeln, lässt sich jedenfalls mit den Erkenntnismitteln des Eilrechtsschutzes nicht feststellen. Es ist nicht erkennbar, dass der Plangeber das Vorhaben des Investors überhaupt geprüft, nach seinem eigentlichen planerischen Willen beabsichtigt oder gar festgesetzt hätte. Der Plangeber hat vielmehr klargestellt, dass der Bebauungsplan nicht beinhaltet, dass die Zulässigkeit des Vorhabens des Investors geprüft worden sei.
Was ist zu tun?
Das Argument des „Etikettenschwindels“ hat vorliegend aufgrund der Abweichung zwischen Plangeber und Vertragspartner im Ergebnis nicht zum Erfolg geführt. Die Entscheidung zeigt jedoch klar, welche Risiken sich ergeben, wenn die im Bebauungsplan festgesetzte und die tatsächlich intendierte künftige bauliche Struktur voneinander abweichen. Dann sind die Festsetzungen nicht von der Abwägungsentscheidung des Plangebers gedeckt und der Bebauungsplan ist unwirksam. Auch Verträge, die parallel zum Bebauungsplanverfahren mit Investoren, Eigentümern oder Käufern im Plangebiet abgeschlossen werden, sollten daher im Vergleich zum Bebauungsplan keine konträren Bebauungsziele beinhalten. Ansonsten ergeben sich entweder Probleme mit der Wirksamkeit des Plans oder mit dem Vertragsvollzug bzw. mit künftigen Baugenehmigungen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 7.4.2022, Ausgabe 14/2022)