Bequemlichkeit rechtfertigt kein Notwegrecht

13. Oktober 2022

Ein Notwegrecht ergibt sich weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis noch aus dem Schikaneverbot, sondern nur, wenn es notwendig ist, das Nachbargrundstück zur Zuwegung zu nutzen.
(BGH, Urteil vom 6. Mai 2022, Az. V ZR 50/21)

Der Fall
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Das Grundstück des Klägers ist mit einem ehemals landwirtschaftlich genutzten Vierseithof bebaut und von anderen Grundstücken und einem Bachlauf eingefasst. Eine öffentliche Straße endet unmittelbar am Grundstück. Der Zugang von der öffentlichen Straße zum Innenhof des Vierseithofs erfolgte über eine Zufahrt durch eine etwa 3 m breite Baulücke. Diese Baulücke liegt teilweise auf dem Grundstück des Beklagten. Er errichtete im Jahr 2019 eine Mauer an der Grenze zum Grundstück des Nachbarn, was die Breite der Zufahrt auf 1,66 m reduzierte. Der Kläger verlangt den Rückbau der Mauer auf eine Durchfahrtsbreite von 2,60 m, damit mehrspurige Fahrzeuge in den Innenhof fahren können.

Die Folgen
Ohne Erfolg! Ein Beseitigungsanspruch des Klägers besteht nur dann, wenn ihm ein Notwegerecht zusteht. Und ein Notwegrecht kann sich nur unter den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 BGB ergeben, der eine abschließende gesetzliche Regelung darstellt, stellt der BGH klar. Daher kann das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kein Notwegrecht begründen, weil dies zu einer unzulässigen Erweiterung bzw. Umgehung des § 917 BGB führen würde. Gleiches gilt für das Schikaneverbot (§ 226 BGB). Ein Notwegrecht besteht somit nur dann, wenn es erforderlich und zumutbar ist, das Nachbargrundstücks als Zuwegung zu nutzen. Dies ist nach rein objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden. Zu berücksichtigen sind dabei Benutzungsart und Grundstücksgröße, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Gesichtspunkte wie Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit rechtfertigen kein Notwegrecht.

Was ist zu tun?
Sofern kein Notwegrecht nach § 917 Abs. 1 BGB begründet ist, aber der Grundstückseigentümer weiterhin Interesse hat, eine Zufahrt über ein fremdes Grundstück zu nutzen, empfiehlt sich eine schuldrechtliche, besser noch dingliche Vereinbarung mit dem jeweils anderen Grundstückseigentümer. Nur so kann die weitere Nutzung der Zufahrt rechtssicher gewährleistet werden. Der Vorteil der dinglichen Vereinbarung ist dabei, dass diese nicht nur zwischen den beiden Vertragsparteien gilt, sondern durch die Eintragung im Grundbuch auch zugunsten und zulasten späterer Grundstückseigentümer wirken kann. Im Gegenzug besteht für die Grundstückseigentümer, von denen die Nutzung ihrer Grundstücke als Notweg verlangt wird, Rechtssicherheit. Eine Verpflichtung kann sich nur aus dem Gesetz ergeben: Notwegrechte müssen unter den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 BGB gewährt werden. In allen anderen Fällen können sie verweigert werden.

(Quelle: Immobilien Zeitung 29.9.2022, Ausgabe 39-40/2022)