Betriebspflicht trotz unwirksamer Offenhaltungspflicht

26. November 2015

Mietrecht: Betriebspflicht ist nicht gleich Offenhaltungspflicht. Auch in Formularverträgen führt eine unzulässige Offenhaltungspflicht nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer gesondert geregelten Betriebspflicht. (OLG Dresden, Beschluss vom 15. Juli 2015, Az. 5 U 587/15)

DER FALL

Der Beklagte hatte vom Kläger ein Ladenlokal gemietet und sich vertraglich dazu verpflichtet, dort eine Apotheke zu betreiben (Betriebspflicht). An anderer Stelle regelte der verwendete Standardvertrag des Klägers, dass der Mieter sein Geschäft während bestimmter vorgegebener Zeiten durchgehend geöffnet zu halten hatte (Offenhaltungspflicht). Der Beklagte nutzte das Ladenlokal nicht selbst, sondern vermietete es an einen Apotheker unter. Nach einigen Jahren kündigte dieser und stellte den Betrieb ein. Dem Beklagten gelang es nicht, innerhalb einer vom Kläger gesetzten Frist einen neuen Apothekenbetreiber zu finden. Der Kläger kündigte daraufhin den Mietvertrag fristlos wegen Verstoßes gegen die Betriebspflicht. Der Beklagte hielt die Kündigung für unzulässig. Die vereinbarte Betriebspflicht sei unwirksam, weil sie den Mieter unangemessen benachteilige. Sie erlaube dem Mieter nicht, die Apotheke zu schließen, um die ihm im Mietvertrag auferlegte Instandhaltung durchzuführen.

DIE FOLGEN

Das Gericht hielt die Kündigung für wirksam. Es unterschied dabei zwischen der Offenhaltungspflicht einerseits und der im Vertrag gesondert geregelten Betriebspflicht andererseits. Erstere verbiete es dem Mieter, sein Geschäft zu bestimmten Zeiten zu schließen. Letztere verpflichte ihn, die Mietfläche tatsächlich zum vereinbarten Zweck zu nutzen. Das OLG bezweifelte, dass die Offenhaltungspflicht den Mieter unangemessen benachteilige, wollte es aber auch nicht ausschließen. Doch selbst wenn die Offenhaltungspflicht unwirksam sein sollte, würde das laut Gericht nicht die Betriebspflicht berühren, auf die der Kläger seine Kündigung gestützt hatte. Denn diese war im Vertrag sprachlich wie inhaltlich getrennt geregelt. Das Gericht konnte sie so unabhängig von der Offenhaltungspflicht prüfen und für wirksam befinden. Auch einen Summierungseffekt lehnte das Gericht ab. Eine möglicherweise unangemessen benachteiligende Verbindung von an sich zulässiger Betriebspflicht und unzulässiger Offenhaltungspflicht käme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich um zwei getrennte Regelungen handle.

WAS IST ZU TUN?

Die Entscheidung zeigt, dass es gerade bei Formularverträgen auf die konkrete Vertragsgestaltung ankommt. So kann eine insgesamt kritische Regelung zumindest teilweise vor Gericht Bestand haben, wenn sie in mehrere selbstständige Einzelregelungen aufgeteilt wird. Selbst dann bleibt allerdings das Risiko, dass die Gesamtregelung wegen des Summierungseffekts unwirksam ist. Das OLG Dresden hatte dies vorliegend mit eher schwachen Argumenten verneint. Es ist gut möglich, dass der BGH das anders entscheiden würde.

(Quelle: Immobilien Zeitung 19.11.2015, Ausgabe 46/2015)