Blindgänger in der Nachbarschaft ist ein Sachmangel

27. Februar 2023

Der Verdacht, dass auf dem Nachbargrundstück ein Blindgänger liegt, kann ein offenbarungspflichtiger Mangel sein, wenn er die Nutzung des veräußerten Grundstücks stark einschränkt.
(OLG Hamm, Beschluss vom 28. November 2022, Az. 22 U 28/22)

Der Fall
Der Käufer macht gegenüber den Verkäufern Mangelhaftungsansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag geltend. Aus seiner Sicht stellt ein Blindgängerverdachtspunkt auf einem benachbarten Flurstück einen Sachmangel dar. Den Verkäufern sei der Verdachtspunkt aus einer Korrespondenz mit der Stadt im Vorfeld des Vertragsschlusses bekannt gewesen. Der Käufer argumentiert, er könne sein Grundstück nicht ordnungsgemäß nutzen. Es bestehe das Risiko, dass der Blindgänger detoniere und das Kaufobjekt in Mitleidenschaft gezogen werde. Zudem müsse er bei jeder geplanten Baumaßnahme im Bereich des Verdachtspunktes zuvor einen Antrag bei der Stadt stellen. Die Stadt könne auch eine Untersuchung des Verdachtspunktes anordnen, was mit erheblichen Eingriffen in sein Objekt und mit hohen Kosten verbunden sein könne.

Die Folgen
Das OLG gibt dem Käufer recht. Ihm steht gegen die Verkäufer ein Anspruch auf Feststellung zu, dass sämtliche möglichen Schäden zu erstatten sind, die ihm künftig aufgrund des benachbarten Verdachtspunktes entstehen werden. Der Verdacht auf einen Blindgänger ist ein Sachmangel, weil das Kaufobjekt nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich sind und die der Käufer erwarten kann. Die Nutzung des Kaufobjekts ist erheblich eingeschränkt. Aus der Korrespondenz zwischen der Stadt und den Verkäufern ergibt sich der Hinweis der Behörde, dass ein Verdachtspunkt in der Regel geprüft wird, wenn eine Baumaßnahme in dessen Nähe durchgeführt werden soll. Würde ein Bauvorhaben im betroffenen Bereich realisiert, würden behördliche Anordnungen getroffen, die die uneingeschränkte Nutzung des Grundstücks zumindest beeinträchtigen würden. Dieser Mangel war offenbarungspflichtig. Der Haftungsausschluss scheitert an § 444 BGB. Da der Mangel bei der Besichtigung des Objekts nicht erkennbar gewesen ist, hätten die Verkäufer den Käufer darüber aufklären müssen.

Was ist zu tun?
Der Fall ist ein weiteres Beispiel dafür, wie weit die Offenbarungspflicht des Verkäufers gehen kann. Verkäufer tun gut daran, dieser Pflicht hinreichend Aufmerksamkeit zu schenken. Ist dem Verkäufer aus der Korrespondenz mit Behörden bekannt, dass sich auf Nachbargrundstücken Blindgängerverdachtspunkte befinden, ist zu prüfen, ob dies offengelegt werden muss. Dafür kann die Größe des benachbarten Grundstücks und die konkrete Lage des Verdachtspunkts wichtig sein. Selbst wenn der Verkäufer den Mangel für unbedeutend hält, kann sein Verschweigen als arglistig gewertet werden.

(Quelle: GTW, Rechtsanwalt Dr. Karsten Prote von GTW in Immobilien Zeitung 23.2.2023, Ausgabe 8/2023)