Duldung einer illegalen Nutzung muss explizit erklärt werden
Die Duldung eines baurechtlich illegalen Geschehens erfordert eine ausdrückliche Erklärung der zuständigen Behörde gegenüber dem Grundstückseigentümer, dass die Nutzung geduldet werden soll.
(OVG Münster, Beschluss vom 22. April 2022, Az. 10 A 676/21)
Der Fall
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Nutzungsänderung ihres Wochenendhauses in ein Wohnhaus zum dauerhaften Wohnen. Der vorliegende Bebauungsplan setzt für das Grundstück ein Wochenendhausgebiet fest. Diesen Bebauungsplan erachtet die Klägerin aber als unwirksam: Ihr Vorhaben sei nach § 34 BauGB zulässig, die vorhandenen Häuser bildeten einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil, meint sie. Sowohl das VG Düsseldorf als auch das OVG Münster lehnten die Klage ab.
Die Folgen
Nach Ansicht des OVG sind für die Beurteilung von Vorhaben nach § 34 BauGB alle baulichen Nutzungen zu berücksichtigen, die von den Behörden geduldet werden oder wegen formeller Legalität geduldet werden müssen. Das Gericht betont, dass die Hinnahme eines baurechtlich illegalen Geschehens über einen längeren Zeitraum keine Duldung darstellt. Stattdessen muss die Behörde in Kenntnis der Umstände zu erkennen geben, dass sie gedenkt, sich auf Dauer oder für einen noch nicht abgelaufenen Zeitraum mit der Existenz der Nutzung abzufinden. Dazu ist eine Erklärung gegenüber dem Grundstückseigentümer erforderlich. Ihr muss mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und über welchen Zeitraum die illegale bauliche Nutzung geduldet werden soll. Eine solche Duldung lag hier nicht vor, der Antrag wurde als unbegründet abgelehnt.
Was ist zu tun?
Die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Zusammenhang bebauter Ortsteile nach § 34 BauGB bestimmt sich nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation. So können bei Duldung durch die Behörden auch materiell unzulässige Nutzungen berücksichtigt werden. Die Voraussetzungen für eine Duldung sind aber streng. Es dürfen keine Zweifel daran bestehen, dass die Behörde sich mit der Nutzung abgefunden hat. Insbesondere reichen ein Schreiben zwischen Behörden oder eine Äußerung eines Mitarbeiters bezüglich der tatsächlichen Sachlage nicht aus. Auch die Untätigkeit bei der Errichtung weiterer Häuser kommt nicht der Duldung einer dauerhaften Wohnnutzung gleich. Grundstückseigentümer dürfen sich daher nicht auf das faktische Handeln oder allgemeine Aussagen der Behörden verlassen. Entscheidend ist im Rahmen von § 34 BauGB vielmehr, ob die Duldung ausdrücklich erklärt wurde. Grundstückseigentümer müssen sich bewusst sein, dass die entsprechende Nutzung benachbarter Gebäude in der Regel keine Rolle spielt, wenn die Zulässigkeit des eigenen Vorhabens geprüft wird. Sie sollten sich vorab informieren, ob eine ausdrückliche Duldung vorliegt, damit diese Nutzung berücksichtigt werden kann.
(Quelle: Immobilien Zeitung 29.9.2022, Ausgabe 39-40/2022)