Ein dreieckiges Grundstück ist nicht atypisch genug

27. März 2017

Eine Abweichung von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts erforderte bislang eine atypische Grundstückssituation. Nach neuer Rechtslage sind Abweichungen möglich. (VG Berlin, Urteil vom 11. Oktober 2016, Az. 19 K 4.13)

DER FALL
Die Bauherrin plante die Errichtung eines Hotels in Berlin-Mitte. Nach der Form ähnelte ihr Baugrundstück einem unregelmäßigen Dreieck, dessen zwei Seiten entlang der öffentlichen Verkehrsflächen liegen und nicht im rechten Winkel zueinanderstehen. Geplant war ein neungeschossiges dreieckiges Gebäude, dessen Abstandsfläche zum Teil auf ein bebautes Nachbargrundstück geworfen wurde und teilweise die Abstandsfläche des Nachbargebäudes überdeckte. Auf eine Bauvoranfrage hin verneinte die zuständige Bauaufsicht die Zulässigkeit dieser Gestaltung. Nach erfolgslosem Widerspruchsverfahren klagte die Bauherrin gegen die Ablehnung.

DIE FOLGEN
Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Behörde. Eine Abweichung von den Vorgaben des Abstandsflächenrechts sei in diesem Fall wegen fehlender Atypik der Grundstückssituation nicht zulässig. Erforderlich sei ein Grundstückszuschnitt, der seine Bebauung unter Einhaltung der vorgeschriebenen Abstandsflächen im besonderen Maße einschränke. Hier stehen die Grenzen des Grundstücks zueinander und zu den öffentlichen Verkehrsflächen nicht im rechten Winkel, sodass die Form des Grundstücks ungewöhnlich sei. Die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks werde dadurch aber nicht eingeschränkt, denn es könne ohne Verstöße gegen die Abstandsflächenvorschriften in – zulässiger – offener Bauweise bebaut werden. Unerheblich sei, dass auch das Nachbargebäude die vorgeschriebenen Abstandsflächen nicht einhält: Mit der wechselseitigen Verletzung der Abstandsflächen verliere der Nachbar das subjektive Recht, sich gegen die neue Bebauung zu wehren; die objektive Rechtslage werde dadurch aber nicht beeinflusst.

WAS IST ZU TUN?
Die Zulassungen von Abweichungen von den strengen Voraussetzungen der Abstandsflächenvorschriften werden in der Regel restriktiv gehandhabt. In vielen Bundesländern fordern die Gerichte dafür eine atypische Grundstückslage, die über eine bloße Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Ausnutzung hinausgeht. In Berlin bringt die zum Anfang 2017 in Kraft getretene Reform der Bauordnung nun eine Erleichterung: In Abkehr von der restriktiven Rechtsprechung legte der Gesetzgeber ausdrücklich fest, dass eine atypische Situation des Grundstücks für eine Abweichung nicht erforderlich ist. Ausreichend ist nach der neuen Bauordnung, dass die Schutzziele der Abstandsflächenregelungen – also ausreichende Besonnung, Belichtung und Belüftung der Gebäude – gewahrt sind. Dies nachzuweisen, insbesondere durch Besonnungs- und Belichtungsgutachten, macht die Sache zwar auch nicht einfacher, bringt aber gleichwohl gewisse Gestaltungsspielräume.

(Quelle: Immobilien Zeitung 23.3.2017, Ausgabe 12/2017)