Ein Hotel in der Nähe eines Störfallbetriebs ist zulässig
Ein Hotel mit Frühstücksbetrieb nur für Hotelgäste ist kein öffentlich genutztes Gebäude und deshalb im Sicherheitsabstand eines Störfallbetriebs zugelassen. (VGH Hessen, Beschluss vom 22. Oktober 2020, Az. 4 B 1371/20)
Der Fall
Die Betreiberin eines Pharma- und Chemieunternehmens, dessen Betriebsstandort als Betriebsbereich nach der StörfallVO klassifiziert ist, wehrt sich gegen ein in der Nähe geplantes Hotel. Für ein Grundstück in etwa 360 m Entfernung zum Betriebsgelände wurde einem Eigentümer im September 2018 eine Baugenehmigung für den Umbau, die Erweiterung und die Nutzungsänderung seines Geschäftshauses in ein „Frühstückshotel“ mit insgesamt 57 Zimmern erteilt. Dagegen suchte das Chemieunternehmen einen Tag vor Fertigstellung des Hotels beim VG Darmstadt um vorläufigen Rechtsschutz nach. Der Eilantrag wurde abgelehnt, auch die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.
Die Folgen
Zwar erkennt der VGH Hessen an, dass ein Vorhaben die nachbarlichen Abwehrrechte eines Störfallbetriebs verletzen kann, wenn es mit dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO i.V.m. Art. 13 Abs. 2 lit. a Seveso-III-RL) unvereinbar ist, weil es den angemessenen Sicherheitsabstand nicht einhält. Allerdings gilt die Pflicht zur Abstandswahrung nur für öffentlich genutzte Gebäude. Das genehmigte Hotel mit einem Frühstücksservice ausschließlich für Hotelgäste ist kein öffentlich genutztes Gebäude im Sinne der Seveso-III-Richtlinie, da ein unkontrollierter Zugang nicht möglich ist. Deshalb hat der VGH die Beschwerde zurückgewiesen.
Was ist zu tun?
Der angemessene Sicherheitsabstand zu einem Störfallbetrieb dient einerseits dem Schutz der Nutzer des öffentlichen Gebäudes, andererseits dem Recht des Unternehmens auf Erhaltung und betriebliche Entwicklung. Öffentlich genutzte Gebäude sind Schutzobjekte, weil dort ein unbegrenzter und wechselnder Personenkreis verkehrt, der nicht auf einen Störfall vorbereitet werden kann. Hängt die Nutzung des Gebäudes von der vorherigen Eingehung einer vertraglichen Beziehung ab – dies ist bei einem Hotel durch den Beherbergungsvertrag der Fall -, stehen dagegen ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, die Nutzer vor einem Störfall zu schützen. Daher ist ein angemessener Sicherheitsabstand entbehrlich. Die Eigentümer von Gebäuden, die in der Nähe zu Störfallbetrieben liegen, sollten bei einer Umnutzung darauf achten, dass diese Gebäude nicht einem unbegrenzten und unkontrollierten Personenkreis zugänglich werden. Die Betreiber von Störfallbetrieben hingegen sollten sich erkundigen, ob die umliegenden Gebäude öffentlich genutzt werden oder nicht, damit die Erhaltung und betriebliche Entwicklung ihrer Betriebe gesichert bleibt.
(Quelle: Immobilien Zeitung 22.7.2021, Ausgabe 29/2021)