Ein Mehr an Lärm verhindert den B-Plan nicht
Öffentliches Recht: Beim Aufstellen eines B-Plans können geringe planbedingte Lärmzunahmen abwägungserheblich sein, sie sind aber kein zwingendes Planungshindernis. (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 24. Juni 2015, Az. 1 KN 138/13)
DER FALL
Die Stadt beabsichtigt, ein ehemals von der Bahn genutztes und mittlerweile brachliegendes Gelände durch das Aufstellen eines Bebauungsplans baulich nutzbar zu machen. Gegen diesen Bebauungsplan wenden sich die Nachbarn, die Eigentümer von Wohngrundstücken östlich des Plangebiets sind. Sie machen geltend, ihre Lärmschutzbelange seien in der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Insbesondere habe die Stadt die planbedingte Zunahme des Straßenverkehrslärms um 0,1 dB(A) tags und 0,02 dB(A) nachts sowie des Bahnlärms um 0,1 dB(A) tags und 0,08 dB(A) nachts fehlerhaft außer Acht gelassen.
DIE FOLGEN
Das OVG erklärte den angegriffenen Bebauungsplan für wirksam und wies die Normenkontrollanträge als unbegründet zurück. Zwar seien die zusätzlichen Lärmbelastungen abwägungserheblich, obwohl sie deutlich unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle von 2 dB(A) liegen. Dies folge daraus, dass der Lärm im Plangebiet mit über 60 dB(A) nachts bereits die Schwelle überschritt, bei der die Rechtsprechung eine Gesundheitsgefährdung annimmt. Diese führe jedoch nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Planung. Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommune die Zunahme des Straßenverkehrslärms hinreichend ausgeglichen: Sie verpflichtete sich verbindlich, auf der Fahrbahn Flüsterasphalt aufzubringen und bei Bedarf zu erneuern. Die Stadt sei auch bei ihrer Entscheidung befugt gewesen, den Schutz der Antragsteller vor dem Bahnlärm abzuwägen. Zudem überwiege das Interesse der Öffentlichkeit an der Verhinderung einer Brachfläche die Schutzinteressen der Anwohner.
WAS IST ZU TUN?
Auf den ersten Blick erweitert diese Entscheidung die Bedeutung von Lärmimmissionen im Planverfahren. Das OVG betont aber, dass Lärmzunahmen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle ein geringes Gewicht in der Abwägung haben und kein zwingendes Planungshindernis darstellen. Auch dann nicht, wenn die Vorbelastung bereits über der gesundheitsgefährdenden Schwelle liegt. Damit werden Schallpegelzunahmen im Regelfall abwägbar (oder „wegwägbar“) bleiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn an der Planung ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Das ist typischerweise bei der Vermeidung innerstädtischer Brachen durch Nachverdichten zu bejahen. Die Bürger sind durch Schallschutzmaßnahmen hinreichend zu schützen. Sind entsprechende Maßnahmen unverhältnismäßig, kann hiervon im Rahmen der Abwägung abgesehen werden. Geringe Lärmzunahmen sind dann von den Anwohnern hinzunehmen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 5.11.2015, Ausgabe 44/2015)