Ein Notwegerecht umfasst auch Zufahrten mit dem Auto

09. Juni 2022

Grundstücksrecht. Eigentümer, deren Grundstücke nicht mit einem öffentlichen Weg verbunden sind, können von ihrem Nachbarn verlangen, im Rahmen des Notwegerechts auch ein Befahren mit Kraftfahrzeugen zu dulden. (OLG Schleswig, Urteil vom 1. April 2022, Az. 1 U 71/21)

Der Fall
Die drei Kläger in diesem Rechtsstreit sind Eigentümer von drei Grundstücken, die keine Verbindung zu einer öffentlichen Straße haben. Die Zufahrt erfolgte jahrelang über das Grundstück des Beklagten. Es ist mit einem Mehrfamilienhaus bebaut, dessen Parkplätze hinter dem Haus liegen. Ein dinglich gesichertes Wegerecht besteht nur zugunsten des Grundstücks zweier der Kläger auf dem Grundstück des dritten Klägers. Die Zufahrt zu den Grundstücken der Kläger und den Parkplätzen erfolgt dabei zwischen dem Wohnhaus und der Grundstücksgrenze. Im Jahr 2020 stellte der Beklagte einen Klapppfahl an der Grenze zwischen seinem Grundstück und dem Grundstück des dritten Klägers auf, um zu verhindern, dass die Kläger mit Kraftfahrzeugen zu ihren Grundstücken fahren. Diese verlangten von dem Beklagten, dass er das Befahren duldet, den Klapppfahl entfernt und es unterlässt, die Zufahrt zu den Grundstücken zu blockieren. Sie hatten damit in der Vorinstanz Erfolg.

Die Folgen
Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur ordnungsgemäßen Nutzung eines Wohngrundstücks, gleich ob es sich um einen Erstwohnsitz oder ein Ferienhaus handelt, ist es erforderlich, dass es die Nutzer mit eigenen Kfz anfahren und andere Fahrzeuge es etwa zur Ver- und Entsorgung erreichen können, hielt das Gericht fest. Eine Erreichbarkeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad genügt gerade nicht. Die Nutzer müssen ihren Eingangsbereich vielmehr auch beim Transport umfangreicheren Gepäcks, sperriger Gegenstände oder größerer Einkäufe von der anfahrbaren Stelle des Grundstücks aus in zumutbarer Weise erreichen können. Das Wegerecht umfasst auch Fahrten zum Abstellen eigener Kfz auf seinem Grundstück. Kann das Wegerecht über mehrere Grundstücke Dritter ausgeübt werden, ist bei der Auswahl ausschlaggebend, dass die Eigentümer ein Interesse an einer geringstmöglichen Belastung haben.

Was ist zu tun?
Sollte man Käufer eines Grundstücks sein, das keine Verbindung zu einer öffentlichen Straße hat und zu dessen Gunsten auch kein dinglich gesichertes Wegerecht an einem Anliegergrundstück eingetragen ist, gilt: Ein Weg zum Grundstück lässt sich über das Notwegerecht grundsätzlich finden. Bei der Frage, welches Grundstück man dafür in Anspruch nimmt, muss man darauf achten, welche Zuwegung die geringstmögliche Eigentumsbelastung mit sich bringt. Können sich die Streitparteien nicht über die Richtung des Notwegs und den Umfang des Benutzungsrechts einigen, werden diese von einem Gericht durch Urteil bestimmt.

(Quelle: Immobilien Zeitung 2.6.2022, Ausgabe 22/2022)