Ein Sondereigentümer kann nicht für die gesamte WEG klagen
Der Sondereigentümer einer WEG kann sich nicht mit dem Argument, dass das Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt wird, gegen ein benachbartes Bauvorhaben wehren. Dies müsste die gesamte WEG tun. (VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juli 2019, Az. 9 L 1328/19)
DER FALL
Die Eigentümer einer Wohnung, die im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses liegt, wehren sich gegen ein Bauvorhaben. Auf dem Nachbargrundstück soll ein sechsgeschossiges Mehrfamilienhaus errichtet werden, dazu wurde im Jahr 2017 eine entsprechende Baugenehmigung erteilt. Nachdem die Bauarbeiten begonnen haben, richten sich die Nachbarn u.a. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Baugenehmigung. Sie machen insbesondere geltend, dass das Bauvorhaben die Abstandsflächen der Bauordnung NRW 2000 nicht einhalte und das Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beeinträchtige. Die Baugenehmigung sei daher rechtswidrig.
DIE FOLGEN
Das VG Düsseldorf lehnt den Antrag ab. Die Nachbarn können sich als Sondereigentümer nicht darauf berufen, dass das Gemeinschaftseigentum der WEG beeinträchtigt wird. Nur die WEG selbst ist in dieser Hinsicht antrags- und klagebefugt. Zudem stellte das Gericht klar, dass die Frage, ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung beurteilt werden muss. Allerdings sind nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen. Denn es wäre mit der Baufreiheit, die nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleistet wird, nicht vereinbar, wenn eine Baugenehmigung, die zur Zeit des Erlasses rechtswidrig war, aufgehoben und zugleich danach wieder erteilt werden müsste. Dies wäre hier der Fall, weil im Rahmen der Bauordnung NRW 2018 die Abstandflächenregelungen geändert wurden.
WAS IST ZU TUN?
Bevor Sondereigentümer einer WEG ein Rechtsmittel gegen eine Baugenehmigung einlegen, sollten sie stets genau prüfen, ob das Bauvorhaben auch tatsächlich das Sondereigentum selbst und nicht „nur“ das Gemeinschaftseigentum der WEG beeinträchtigt. Nur wenn das Sondereigentum unmittelbar beeinträchtigt wird, kann auch der Sondereigentümer in seinen eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein und damit Abwehrrechte geltend machen. In Fällen, in denen eine nach der Bauordnung NRW 2000 erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist, muss überprüft werden, ob das Bauvorhaben aufgrund von Änderungen in der neuen Bauordnung NRW 2018 genehmigungsfähig wäre. Ist dies der Fall, ist es unerheblich, ob die Baugenehmigung ursprünglich rechtswidrig war, ein entsprechendes Abwehrrecht der Nachbarn besteht dann nicht mehr.
(Quelle: Immobilien Zeitung 14.11.2019, Ausgabe 46/2019)