Ein Vergleich wird nur vollstreckt, wenn er eindeutig ist

02. Juni 2020

Damit ein Prozessvergleich, der eine Partei zu einer Handlung verpflichtet, vollstreckt werden kann, muss diese Handlung im Protokolltext ausreichend konkret bezeichnet sein. (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. Januar 2020, Az. 2 O 131/19)

DER FALL
In einem Rechtsstreit zwischen Bauherr, Nachbar und Bauaufsichtsbehörde wurde auf Vorschlag des Gerichts ein Prozessvergleich geschlossen. Der Bauherr verpflichtete sich dazu, einen Antrag auf Änderung seiner Baugenehmigung einzureichen, damit eine Außentreppe seines Vorhabens an die rechte, dem Nachbarn abgewandte Gebäudeseite verlegt wird; dies war in einer Skizze festgehalten. Die Behörde sagte zu, die Änderung genehmigen zu wollen, sofern keine unvorhergesehenen Hindernisse auftreten. Dann beantragte der Nachbar, dass dieser Vergleich vollstreckt wird. Daraufhin stellte der Bauherr einen Änderungsantrag, die Treppe sollte nun aber an die linke Gebäudeseite verlegt werden. Sein Antrag wurde genehmigt; der Nachbar widersprach. Der Bauherr argumentierte, die Treppe könne nicht rechts angebaut werden, da sonst dort ein vorgesehener Aufenthaltsraum entfiele. Der Nachbar forderte, dass der Bauherr ein Zwangsgeld zahlen müsse. Dies lehnte das Gericht im Vollstreckungsverfahren ab.

DIE FOLGEN
Der Nachbar konnte aus dem Titel nicht die Zwangsvollstreckung betreiben. Denn es war nicht hinreichend klar, zu was der Bauherr verpflichtet ist. Er sollte zwar einen Änderungsantrag einreichen, der eine „Umgestaltung gemäß anliegender Skizze“ beinhalten sollte. Wesentliche Fragen zum Inhalt dieses Antrags blieben aber offen, zum Beispiel war nicht geklärt, wie mit Genehmigungshindernissen umgegangen werden sollte. Hinzu kam, dass die Skizze der vollstreckbaren Ausfertigung nicht angeheftet worden war. Auch die Auslegung beseitigte letzte Zweifel nicht. Solche Unklarheiten können aber nicht im Vollstreckungsverfahren durch eine Beweisaufnahme geklärt werden, sondern nur im Erkenntnisverfahren.

WAS IST ZU TUN?
Die Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt entspricht der herrschenden Rechtsprechung zu den Anforderungen daran, wie ein vollstreckbarer Titel inhaltlich bestimmt sein muss. Der Titel muss den Anspruch des Gläubigers, hier des Nachbarn, ausweisen und Art, Inhalt und Umfang der Leistungspflicht benennen. Soll eine Handlung vorgenommen werden, die nur der Verpflichtete selbst durchführen kann, muss diese Handlung hinreichend konkret bezeichnet und für den Durchführenden klar erkennbar sein. Deshalb sollte ein Gläubiger bei jedem Abschluss eines Prozessvergleichs penibel auf die exakte Formulierung der titulierten Handlungspflicht achten. Im Nachhinein lässt sich die missliche Lage oft nur durch ein neues Erkenntnisverfahren retten, zum Beispiel durch eine negative Feststellungsklage. Dies aber bedeutet einen weiteren, vermeidbaren Rechtsstreit.

(Quelle: Immobilien Zeitung 28.5.2020, Ausgabe 22/2020)