Einbau eines Aufzugs braucht die Zustimmung aller Eigentümer
Auch ein gehbehinderter Wohnungseigentümer darf einen Fahrstuhl nur mit Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer nachrüsten. (BGH, Urteil vom 13. Januar 2017, Az. V ZR 96/16)
DER FALL
Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung im fünften Obergeschoss. Er betreut seine zu 100% schwerbehinderte Enkeltochter. Er klagt auf Zustimmung zum Einbau eines Personenaufzugs in dem offenen Schacht des Treppenhauses, nachdem die WEG-Versammlung seinen Antrag darauf abgelehnt hatte. Das AG weist die Klage ab. Das LG gibt ihr mit Einschränkungen statt; der Kläger habe u.a. die Kosten der Errichtung, des Betriebs sowie einer Beseitigung zu tragen. Der BGH weist die Klage endgültig ab.
DIE FOLGEN
Ein Wohnungsmieter kann vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen verlangen, die für eine behindertengerechte Nutzung erforderlich sind (§ 554 a BGB). Eine derartige Norm gibt es im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern nicht. Hier gilt die Regelung des § 22 WEG, wonach bauliche Veränderungen der Zustimmung jedes Wohnungseigentümers bedürfen, dessen Interessen über „das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß“ hinaus beeinträchtigt würden. An diesem Maßstab ist jeder Fall unter Abwägung aller Rechtspositionen zu messen. Leidet ein Wohnungseigentümer unter einer erheblichen Gehbehinderung, dann wird das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG dazu führen, dass die übrigen Wohnungseigentümer die Installation niedrigschwelliger Hilfsmittel wie eines Treppenlifts oder einer Rollstuhlrampe dulden müssen. Anders liegt es bei Maßnahmen, die wie der Einbau eines Personenaufzugs mit erheblichen Eingriffen in die Substanz des Gemeinschaftseigentums verbunden sind. Hier ist jeder einzelne Miteigentümer so betroffen, dass seine Zustimmung erforderlich wird.
WAS IST ZU TUN?
Wer eine Eigentumswohnung bezieht, die er mit einer Gehbehinderung nicht mehr erreichen kann, nimmt ein Risiko in Kauf. Das kann er nicht auf seine Miteigentümer überwälzen, indem er nachträglich Maßnahmen fordert, die massiv in den Baukörper eingreifen oder den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums erheblich einschränken. Anderes gilt für niedrigschwellige Maßnahmen wie Treppenlifte oder Rollstuhlrampen, bei denen auch der Aufwand für Wartung, Instandhaltung und Rückbau überschaubar ist. Mitunter versuchen behinderte Wohnungseigentümer, die Chancen eines Beschlussantrags zu erhöhen, indem sie alle Kosten übernehmen und/oder widersprechende Miteigentümer von der Nutzung der Einrichtung ausschließen wollen. Derartige Konstruktionen verstoßen gegen zwingende Regelungen des WEG und machen Beschlüsse schon aus diesem Grunde nichtig. Ganz abgesehen von den erheblichen finanziellen Belastungen, die es für den Behinderten erwägenswert erscheinen lassen, in eine günstigere Eigentumswohnung oder eine entsprechende Mietwohnung umzuziehen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 16.2.2017, Ausgabe 7/2017)