Eine geringfügige Aufstockung kann schon zu viel sein

04. September 2020

Die Aufstockung eines Bestandsgebäudes um 0,5 m kann im unbeplanten Innenbereich unzulässig sein, wenn sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung einfügt. (VGH Bayern, Urteil vom 27. Mai 2020, Az. 1 B 19.544)

DER FALL
Die Eigentümer eines Grundstücks verklagten die Behörde beim Verwaltungsgericht. Sie wollten eine Baugenehmigung, um ein Wohngebäude zu erweitern und aufzustocken in ein Haus mit neun Wohneinheiten. Das Grundstück der Kläger befindet sich im Geltungsbereich eines im Jahr 1961 erlassenen Baulinienplans und liegt in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Das VG verpflichtete die Behörde, den Bauherren die Baugenehmigung zu erteilen. Das Gericht war der Auffassung, dass der Baulinienplan funktionslos sei. Das Vorhaben überschreite den von der Umgebung vorgegebenen Rahmen weder der Breite noch der Höhe nach, insbesondere sei die Höhenüberschreitung nur geringfügig. Die Behörde legte beim VGH Bayern Berufung ein.

DIE FOLGEN
Der VGH ändert das Urteil des VG ab und weist die Klage auf Genehmigungserteilung ab. Der Baulinienplan ist nicht funktionslos geworden, es handelt sich um einen einfachen Bebauungsplan. Das Erweiterungsvorhaben überschreitet eine darin festgesetzte Baugrenze deutlich – um ca. 5 m. Hieran ändert auch nichts, dass das Bestandsgebäude nach der – fehlerhaften – Darstellung im Baulinienplan die Baugrenze wahrt. Wegen der beantragten Erhöhung von 10,55 m auf 11,03 m fügt sich das Vorhaben nach dem Nutzungsmaß nicht in die Umgebung ein. Dies führt dazu, dass – wie in aller Regel – das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Es ist nicht ersichtlich, dass das beantragte Nutzungsmaß hier ausnahmsweise die Situation nicht verschlechtern würde. Zudem wurden keine geeigneten Stellplätze nachgewiesen.

WAS IST ZU TUN?
Die Rechtsprechung bejaht die Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen nur unter strengen Voraussetzungen. Oft behalten daher auch ältere Bebauungspläne ihre steuernde Wirkung. Auch wenn in einem Bebauungsplan etwa Bestandsgebäude unzutreffend so dargestellt sind, dass sie die Planvorgaben wahren, führt dies nicht dazu, dass ein neues, nicht dem Plan entsprechendes Vorhaben zulässig ist. Im Übrigen kann schon eine Aufstockung eines vorhandenen Gebäudes um etwa 0,5 m im unbeplanten Innenbereich dazu führen, dass sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung einfügt. Bauherren sollten also stets daran denken, Anträge auf die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen von dem Bebauungsplan zu stellen. Auch Abweichungen in Bezug auf bauordnungsrechtliche Tatbestände wie die Stellplatzpflicht sollten sie im Blick behalten. Auf die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans können sie sich nicht verlassen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 20.8.2020, Ausgabe 34/2020)