Eine große Flächenabweichung muss kein Mietmangel sein

07. Dezember 2020

Es gibt Fälle, in denen eine Abweichung von 10% zwischen der tatsächlichen und der vertraglich vereinbarten Mietfläche nicht erheblich ist und deshalb keinen Mietmangel darstellt. (OLG Dresden, Urteil vom 21. Oktober 2020, Az. 5 U 1257/20)

Der Fall
Die Mieter zweier Gewerbeeinheiten werden vom Vermieter verklagt. Der Mietvertrag aus dem Jahr 2017 enthält die Angabe, dass die Räume im Untergeschoss und im Erdgeschoss ca. 320 m² groß sind, die Räume im Obergeschoss rund 160 m². Das ist aber falsch: Die Räume im Unter- und Erdgeschoss haben eine Fläche von 192 m², die Räume im Obergeschoss waren 112 m² groß. Das Angebot des Vermieters, neue Mietverträge mit den richtigen Größenangaben zu unterschreiben, lehnen die Mieter ab. Sie zahlen stattdessen ein Jahr eine verminderte Miete und kündigen danach wegen der Minderfläche das Mietverhältnis. Der Vermieter klagt die volle Miete ein, und das LG gibt der Klage statt. Das OLG bestätigt das Urteil trotz der dramatischen Größendifferenz und widerspricht damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Gewerbe- und Wohnraummietrecht.

Die Folgen
Überraschend oft stellen sich vertragliche Größenangaben als falsch heraus, meist ist das Mietobjekt zu klein, selten zu groß. Bereits 2004 hat der BGH Flächenabweichungen von 10% im Wohnraummietrecht für so relevant gehalten, dass ein Mietmangel vermutet werden kann. 2005 hat er diese Rechtsprechung auf das Gewerbemietrecht ausgedehnt. Der Mieter kann bei Mindergrößen ab 10% also die Miete ohne weiteres entsprechend mindern, fristlos kündigen und Schadenersatz verlangen. Das OLG Dresden will diese Rechtsprechung nur dann anwenden, wenn die falsche Flächenangabe der Mietfläche im Vertrag die Sollbeschaffenheit des Mietobjekts festlegte, nicht aber, wenn sie die Mieträume nur beschreiben.

Was ist zu tun?
Trickreiche oder übervorsichtige Vermieter könnten versucht sein, Größenangaben in Mietverträgen künftig mit der Bemerkung zu versehen, dass sie die Mietsache nur beschreiben und keinesfalls die Sollbeschaffenheit festlegen. Ob sie damit die Rechte des Mieters bei einer Minderfläche aushebeln können, ist allerdings fraglich. Denn der vom OLG Dresden entschiedene Fall hatte eine atypische Vorgeschichte: Es gab nämlich zunächst einen einheitlichen Mietvertrag über das gesamte Objekt, der die richtige Gesamtfläche von 312 m² auswies. Erst auf Wunsch des Mieters und nach vielen Jahren wurde das einheitliche Mietverhältnis in zwei Mietverträge bezogen auf zwei Teilobjekte aufgespalten, die ursprüngliche Gesamtmiete blieb konstant. Allerdings wurden die Größen irrtümlich falsch zugeordnet. Der Leitsatz des Urteils kann deshalb nicht verallgemeinert werden. Zudem wäre es besser gewesen, das OLG Dresden hätte den Versuch des Mieters, aus dem Versehen seines Vermieters Kapital zu schlagen, als treuwidrig zurückgewiesen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 3.12.2020, Ausgabe 49/2020)