Eine Nießbrauchsgemeinschaft ist nicht einseitig auflösbar

05. Oktober 2020

Ist für mehrere Personen als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB ein Nießbrauch an einem Grundstück bestellt, kann diese Gesamtberechtigung nicht über eine Zwangsversteigerung aufgehoben werden. (BGH, Urteil vom 6. März 2020, Az. V ZR 329/18)

DER FALL
Geschiedene Eheleute waren hälftig Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem vermietete Gebäude standen. Im Zuge vorweggenommener Erbfolge hatten sie das Eigentum am Grundstück während der Ehe auf ihre Kinder übertragen, wobei sie sich einen unentgeltlichen lebzeitigen Nießbrauch „als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB“ vorbehielten. Der Ex-Ehemann wollte über eine Zwangsversteigerung des Nießbrauchrechts unter Beteiligten nach den Vorschriften der Bruchteilsgemeinschaft erreichen, dass die Gemeinschaft aufgelöst wird. Er klagte auf Duldung der Zwangsversteigerung.

DIE FOLGEN
Ohne Erfolg! Die Frau muss die Zwangsversteigerung nicht hinnehmen. Zwar lassen sich die Vorschriften zur Bruchteilsgemeinschaft grundsätzlich auch auf das Innenverhältnis der Nießbrauchberechtigten anwenden. Das gilt allerdings nicht für die Regelungen der §§ 749 ff. BGB über die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft. Der BGH lässt offen, ob sich das bereits aus der Unübertragbarkeit des Nießbrauchrechts ergibt (§ 1059 BGB). Jedenfalls würde eine solche Anwendung der Interessenlage der Verfügenden widersprechen. Ein Nießbrauch wird typischerweise als ein unentziehbares Recht geschaffen, um den lebenslangen Unterhalt aller Verfügenden abzusichern. Wird ein Recht mit zwei auf den ganzen Nießbrauch bezogenen Berechtigungen bestellt, kommt damit zugleich zum Ausdruck, dass diese dauerhaft, d.h. bis zum Erlöschen des Nießbrauchs, nebeneinander bestehen sollen. Eine entsprechende Anwendung von § 749 Abs. 1 BGB wäre damit nicht vereinbar. Der BGH hat die Rechtsposition der einzelnen Gesamtberechtigten eines Nießbrauchs im Ergebnis deutlich gefestigt. In den Fällen der vorweggenommenen Erbfolge dürfte dies auch zu begrüßen sein, da sich der Schenker auf den dauerhaften Bestand seines Nießbrauchs verlassen kann und nicht befürchten muss, aus dem Recht „gedrängt“ zu werden.

WAS IST ZU TUN?
Für die Praxis bedeutet das Urteil des BGH, dass ein Gesamtberechtigter auf Grundlage gesetzlicher Regelungen gegen seinen Willen praktisch nicht aus dem Nießbrauch ausscheiden kann. Die Parteien müssten nunmehr bei der Bestellung des Nießbrauchs gezielt entsprechende vertragliche Regelungen für einen solchen Fall vorsehen. Allerdings ist noch ungeklärt, ob und in welchem Umfang derartige Vereinbarungen zulässig sind. Da der Nießbrauch in seinem häufigsten Anwendungsfall, der vorweggenommenen Erbfolge, üblicherweise der Unterhaltssicherung des Berechtigten dient, dürften solche Regelungen jedoch auch nicht gewünscht sein.

(Quelle: Immobilien Zeitung 1.10.2020, Ausgabe 40/2020)