Ersatzloser Abriss berechtigt nicht zur Verwertungskündigung

31. Mai 2021

Mietrecht. Der ersatzlose Abriss eines Gebäudes ist keine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks, die eine Kündigung von Mietverhältnissen rechtfertigen würde.

DER FALL
Rechtsanwältin Nicola Lotz von der Kanzlei Lotz.Quelle: Nicola Lotz
Die Beklagten sind Mieter eines ehemaligen Landarbeiterhauses in Braunschweig. Einen schriftlichen Mietvertrag gibt es nicht, die Nettomiete beträgt 60 Euro monatlich. Das Bad der Mieter befindet sich in einem Seitenflügel, während sich ihre Wohnung im Haupthaus befindet. Der Vermieter kündigt das Mietverhältnis unter Vorlage eines Gutachtens: Der Seitenflügel mit dem Bad sei stark baufällig und deshalb nur unter Gefahren begehbar. Er müsse abgerissen werden, eine Wiederherstellung sei aus statischen und wirtschaftlichen Gründen nicht darstellbar. Die Mieter wollen nicht ausziehen, woraufhin der Vermieter klagt. Während des Rechtsstreits wiederholt er die Kündigung mehrfach. Er holt einen Kostenvoranschlag ein und macht geltend, dass der Anbau eines neuen Badezimmers rund 26.000 Euro kosten würde. In Anbetracht der geringen Miete trage sich dies wirtschaftlich nicht.

DIE FOLGEN
Die Mieter müssen ihre Wohnung nicht räumen, weil keine der Kündigungen wirksam ist. Die Voraussetzungen für eine sogenannte Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) sind nicht erfüllt. Wird ein Gebäude ersatzlos abgerissen, stellt das keine Realisierung des dem Grundstück innewohnenden Werts dar, sofern nicht geplant ist, das Grundstück anderweitig zu verwenden. Das hat der Vermieter nicht vorgetragen. Die Kündigung kann deshalb nur am Maßstab der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB gemessen werden, sodass der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Kündigung nachweisen muss. In der Regel sind die Anforderungen an eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB nicht geringer als die an eine Verwertungskündigung. Hier entschied das Gericht, dass der Anbau eines neuen Bads dem Vermieter zumutbar ist, selbst wenn sich diese Investition nicht über die Miete amortisiert. Denn es handelt sich nur um eine einmalige Aufwendung, die den Wert des Objekts erhöht und sich darüber teilweise amortisiert. Laufende weitere Investitionen, die aus dem Abriss des Nebengebäudes entstehen, sind nicht zu erwarten. Dass der Vermieter eventuell nicht die finanziellen Mittel hat, das neue Bad zu finanzieren, hat er nicht vorgetragen.

WAS IST ZU TUN?
Will ein Vermieter eine Verwertungskündigung begründen, genügt es nicht, wenn er nur die erheblichen Nachteile darstellt, die er erleiden würden, wenn er nicht verwerten kann. Es ist zusätzlich besonders wichtig darzulegen, worin die wirtschaftliche Verwertung besteht. Der Vermieter muss nachweisen, dass das Grundstück anderweitig genutzt werden soll und dass diese neue Nutzung für ihn erheblich wirtschaftlicher wäre.

(Quelle: Immobilien Zeitung 27.5.2021, Ausgabe 21/2021)