Falsche Reihenfolge lässt Vorkaufsrecht des Mieters scheitern
Für das Entstehen eines Vorkaufsrechts für den Mieter ist die zeitliche Abfolge von Überlassung der Wohnung, Umwandlung oder Umwandlungsabsicht und Verkauf entscheidend. (BGH, Urteil vom 6. April 2016, Az. VIII ZR 143/15)
DER FALL
Am 28. September lässt der verklagte Eigentümer für ein Mehrfamilienhaus eine Teilungserklärung beurkunden. Dem klagenden Mieter wird am 15. Dezember gemäß Mietvertrag vom 17. November eine Wohnung überlassen. Am 16. Dezember schließt der Eigentümer einen Kaufvertrag mit einem Dritten, ohne den Mieter zu informieren. Die Eintragung der Teilungserklärung im Grundbuch erfolgte am 23. Dezember. Der Erwerber wird als Eigentümer eingetragen. Der Mieter beruft sich auf das gesetzliche Vorkaufsrecht und verlangt Schadenersatz (Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis).
DIE FOLGEN
Der BGH verneint ein Vorkaufsrecht, wobei es auf die Reihenfolge der Handlungen ankommt (§ 577 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach Ansicht des BGH verlangt das Gesetz: 1. die Überlassung an den Mieter, 2. die Umwandlung (Alternative 1) oder die Absicht der Umwandlung (Alternative 2) und 3. den Verkauf. Alternative 1 scheitert, da Wohnungseigentum erst mit Eintragung im Grundbuch begründet wird (Umwandlung), hier also erst nach Verkauf, und es auf diesen dinglichen Akt ankommt. Nach Alternative 2 entsteht das Vorkaufsrecht nur, wenn nach Überlassung die Absicht besteht, Wohnungseigentum zu begründen, wobei sich der Verkäufer zur Aufteilung verpflichten und die künftige Wohneinheit bereits hinreichend bestimmt sein muss. Diese Alternative scheiterte daran, dass hier eine andere Reihenfolge vorlag, nämlich die dokumentierte Umwandlungsabsicht schon vor Überlassung bestand. Eine rein innerlich bestehende Absicht zur Aufteilung genügt nicht, durch die Teilungserklärung (vor Überlassung) lag jedoch eine ausreichende Manifestation vor. Der BGH begründet die strenge Anwendung der Abfolge u.a. mit dem Gleichlauf beider Alternativen, dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Norm.
WAS IST ZU TUN?
Das Vorkaufsrecht stellt für den Mieter eine Eigentumserwerbsmöglichkeit dar, und immer wieder muss sich der BGH dazu äußern. Das Vorkaufsrecht scheiterte allein an der zeitlichen Abfolge. Auch wenn dem Mieter hier kein Vorkaufsrecht zustand, steht ihm eines beim nächsten Verkauf zu. Zusätzlich besteht eine Kündigungsbeschränkung nach § 577a BGB. Einem eventuellen Missbrauch des Vermieters, wenn er eine Teilungserklärung (vorsorglich) vor Überlassung beurkundet, aber erst (viel) später vollzieht, um ein Vorkaufsrecht zu vermeiden, kann im Einzelfall durch § 242 BGB begegnet werden. Da es nicht auf die Kenntnis des Mieters von der geplanten Aufteilung ankommt, sondern allein auf die dokumentierte, aber für ihn ggf. nicht erkennbare Absicht vor Überlassung, sollte ein Mieter vor Mietvertragsabschluss nach Umwandlungs- oder Verkaufsplänen des Vermieters fragen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 12.1.2017, Ausgabe 1-2/2017)