Fiktiver Übergabetermin genügt der Schriftform
Bei einer Vermietung vom Reißbrett ohne datumsmäßig festgelegten Mietbeginn wahrt der Mietvertrag auch dann die gesetzliche Schriftform, wenn die Festlaufzeit im Falle von Verzögerungen bereits zu einem lediglich fiktiven Übergabezeitpunkt beginnen soll.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2013, Az. XII ZR 104/12 (Quelle: Immobilienzeitung Nr. 42, 24.10.2013, Seite 16)
Der Fall
Die Parteien schlossen einen Mietvertrag mit einer Festlaufzeit von zehn Jahren. Die Laufzeit sollte erst mit Übergabe der noch zu sanierenden Flächen an den Mieter beginnen. Falls der Mieter die Übergabe verzögerte (z.B. durch mangelnde Mitwirkung bei der Sanierung), sollte das Mietverhältnis unabhängig von der tatsächlichen Übergabe zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem die Mietflächen ohne die vom Mieter verursachten Verzögerungen übergeben worden wären („fiktiver Übergabetermin“). Einige Jahre nach Mietbeginn kündigte der Mieter und erhielt vor Gericht zunächst Recht. Seine vorzeitige Kündigung sei berechtigt, weil der Mietvertrag die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform nicht wahrt. Die Regelungen zum Mietbeginn seien zu unbestimmt. Es sei im Nachhinein kaum feststellbar, ob und wann von einem fiktiven Übergabetermin auszugehen sei. Der Vermieter zog daraufhin vor den BGH.
Die Folgen
Der BGH gab dem Vermieter Recht und verneinte einen Schriftformverstoß. Die Parteien hätten alles, was sie zum Mietbeginn regeln wollten, vollständig und richtig im Vertrag niedergelegt. Der Vertrag verstoße insbesondere nicht allein deshalb gegen die Schriftform, weil die Mietzeit unter bestimmten Umständen auch bei einer bloß fiktiven Übergabe begonnen hätte. Denn der Mietvertrag bestimme hinreichend klar, wann ein solcher fiktiver Übergabetermin maßgeblich sein sollte. Dass dazu auslegungsbedürftige Begriffe verwendet wurden („nicht rechtzeitige Leistung“ oder „Annahmeverzug des Mieters“), sei unschädlich. Auch dass es im Nachhinein schwierig sein könne festzustellen, ob und wann die Voraussetzungen für eine fiktive Übergabe vorlagen, berühre die Schriftform nicht. Ein Grundstückserwerber werde durch die Regelungen im Mietvertrag hinreichend gewarnt. Es sei ihm daher zuzumuten, sich entsprechend bei Mieter und Vermieter zu erkundigen.
Was ist zu tun?
Die hier im Streit stehende Regelung zum Mietbeginn ist gerade bei einer Vermietung vom Reißbrett weit verbreitet. Dass der BGH ihre Vereinbarkeit mit dem Schriftformerfordernis bestätigt, bedeutet daher einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Die Entscheidung macht aber auch deutlich, dass Bestimmungen zum Mietbeginn nach wie vor sehr sensibel sind. Es reicht nicht aus, dass die Beteiligten die Regelung verstehen. Das Gewollte muss auch für einen Außenstehenden klar erkennbar sein. Jedenfalls bei komplexeren Regelungen zum Mietbeginn empfiehlt es sich daher noch immer, das Datum des tatsächlichen Mietbeginns in einem Nachtrag zum Mietvertrag klarzustellen.