Grundbuchamt darf sittenwidrigen Kaufvertrag stoppen

31. Oktober 2022

Liegt der Kaufpreis eines Grundstücks um mehr als 90% über dem dokumentierten Verkehrswert, kann das Grundbuchamt den Vollzug des Kaufvertrags verweigern.
(OLG Braunschweig, Beschluss vom 30. März 2022, Az. 2 W 10/22)

Der Fall
Der spätere Grundstücksverkäufer erwarb das Grundstück zunächst für 85.000 Euro aus der Zwangsversteigerung. Der Verkehrswert dieses Grundstücks war im Rahmen der Auktion mit 43.000 Euro ermittelt worden. Nur wenige Wochen später verkaufte der Erwerber das Grundstück weiter – der Preis lag jetzt bei 220.000 Euro. Das Grundbuchamt wies den Notar darauf hin, dass bei dem Weiterverkauf ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen könnte. Es bat den Notar daher, ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorzulegen, um den Nachweis der Wertsteigerung zu erbringen. Nachdem der Notar mitgeteilt hatte, dass ein solches Gutachten nicht vorgelegt werde, lehnte das Grundbuchamt die Eintragung der Auflassungsvormerkung ab. Dagegen wehrte sich der Notar mit einer Beschwerde beim Oberlandesgericht Braunschweig. Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vor.

Die Folgen
Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung zur Auflassungsvormerkung zu Recht abgelehnt, entscheidet das OLG Braunschweig. Das Grundbuchamt ist zur Prüfung des Kaufvertrags, der dem Antrag zugrunde liegt, berechtigt. Ein Vertrag kann sittenwidrig und demzufolge gemäß § 138 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung – hier der Grundstückslieferung – und der Gegenleistung – hier dem Kaufpreis – besteht. Ein solches Missverhältnis liegt im Falle von Grundstücksgeschäften bei einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von über 90% vor. Der vereinbarte Verkaufspreis lag hier sogar 250% über dem nur sieben Wochen zuvor bezahlten Ankaufspreis. Das Grundbuchamt durfte also wegen Sittenwidrigkeit von der Unwirksamkeit des Kaufvertrags ausgehen und die Eintragung der Vormerkung verweigern. Der ertragreiche Weiterverkauf des Grundstücks ist damit gescheitert.

Was ist zu tun?
Gerade beim Erwerb von Grundstücken aus Zwangsversteigerungen oder von Entwicklungsgrundstücken kann sich eine sehr erhebliche Wertsteigerung ergeben. Der Gewinn wird dann häufig bereits beim günstigen Einkauf der Flächen erzielt. Um diesen Erfolg durch einen Verkauf später realisieren zu können, ist es für den Grundstücksverkäufer ratsam, eine Bewertung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einzuholen, die den eigentlichen Verkehrswert des Grundstücks belegt. So lassen sich spätere Überraschungen beim Grundbuchamt vermeiden.

(Quelle: Immobilien Zeitung 27.10.2022, Ausgabe 43/2022)