Hiller-Schleehuber international – Immobilienbewertung in Tschechien

Das Gutachten wurde im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens, anhängig an einem bayerischen Amtsgericht, erstellt. Die Beantwortung der Beweisfrage stellt eine Herausforderung für den Sachverständigen dar, da das Bewertungsobjekt in Tschechien gelegen ist. Im Zug der Beweisführung wurde das Gutachten in enger Zusammenarbeit mit einem tschechischen Kollegen erstellt.
Frage des Gerichts
Gemäß Beschluss des Amtsgerichts [1] vom 13.05.2016 sollte Beweis erhoben werden über die Behauptung des Antraggegners, der Verkehrswert des Anwesens in Tschechien habe bei Zustellung des Scheidungsantrags 200.000 € betragen und der Verkehrswert von zwei unbebauten Grundstücken (in Tschechien) insgesamt 42.751,40 € sowie zu den Behauptungen der Antragstellerseite, der Verkehrswert habe bei Zustellung des Scheidungsantrags für das Anwesen 91.600 € und für die unbebauten Grundstücke insgesamt 535 € betragen. Ausdrücklich wurde dem Sachverständigen nachgelassen, bei der Erstellung des Gutachtens einen Sachverständigen aus der tschechischen Republik heranzuziehen.
Vorbemerkungen
Die Bewertungsgrundstücke sind sämtlich in der Tschechischen Republik gelegen. In Tschechien können bei der Grundstücksbewertung nicht 1 : 1 die normierten Bewertungsmodelle der für Deutschland geltenden Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) angewendet werden, da die hierfür notwendigen Voraussetzungen bzw. Bewertungsinstrumente (zentrale Gutachterausschüsse, flächendeckende Bodenrichtwerte, wertermittlungsrelevante Daten, etc.) nicht oder nicht in der benötigten Form vorhanden sind bzw. zur Verfügung stehen.
Um eine marktgerechte Bewertung durchführen zu können, wird daher auf die europäischen Bewertungsstandards (EVS 2016 – European Valuation Standards 2016, Eight Edition) zurückgegriffen, die gleichermaßen in Tschechien wie auch Deutschland als europäischer Bewertungsstandard anerkannt sind und als Basis für die Bewertung innerhalb Europas eine hohe Akzeptanz besitzen. Mit der Anwendung dieser Standards ist es möglich, den Marktwert (Verkehrswert) der Bewertungsgrundstücke marktkonform zu ermitteln.
Da der vom Gericht beauftragte Sachverständige überwiegend nicht in Tschechien tätig ist und auch nicht die Landessprache spricht[2], wurde mit ausdrücklicher Genehmigung des beauftragenden Gerichts für die Bewertung ein tschechischer Sachverständiger hinzugezogen. Bei diesem tschechischen Kollegen handelt es sich um den geprüften Sachverständigen Ing. Zdenek Tomicek, Udolni 422/20 aus 46014 Liberec, der auch die Gutachter-Kammer in der Region leitet. Herr Tomicek wurde vollständig in den Bewertungsprozess eingebunden und war verantwortlich für die Datenerhebung, Recherche und (vorläufige) Wertermittlung. Durch den unterzeichnenden Sachverständigen wurden die durch den tschechischen Kollegen durchgeführten Recherchen und Bewertungen unter zu Hilfenahme einer Übersetzerin plausibilisiert und in die deutsche Gutachtenform überführt.
Wie im Vorab erläutert, wurde die Wertermittlung nach den europäischen Bewertungsstandards durchgeführt. Da sämtliche für die Bewertung recherchierten und verwendeten Vergleichsfälle (tatsächliche Verkäufe von bebauten und unbebauten Grundstücken) ebenfalls in der tschechischen Republik liegen und in der tschechischen Landeswährung Kronen (Kč) valutieren, wurde die Bewertung im 1.Schritt auch in dieser Währung durchgeführt und erst zum Schluss mit dem durch die EZB am Wertermittlungsstichtag veröffentlichten offiziellen Umtauschkurs umgerechnet.
Bewertungsgrundstück / Bewertungsobjekt
Das Bewertungsgrundstück besteht aus insgesamt 8 Flurstücken, die zum Teil unterschiedliche Nutzungsarten und Grundstücksqualitäten aufweisen. Entsprechend der unterschiedlichen Grundstücksqualitäten werden diese Flurstücke auftragsgemäß in 3 Teilgrundstücke aufgeteilt und einzeln bewertet, die Summe der Einzelwerte ergibt den Gesamtverkehrswert. Bei diesen Teilgrundstücken handelt es sich um selbstständig veräußerbare Teile des Gesamtobjekts.
Teilgrundstücksbezeichnung | Bebauung/Nutzung | Fläche |
A – 6 Flurstücke | Wohnhaus und Nebengebäude mit hausnaher Grünland- und Gartenfläche | 2.312 m² |
B – Flurstück B | unbebaut, Bauerwartungsland | 1.398 m² |
C – Flurstück C | Grünland (Landwirtschaftsfläche gemäß Flächennutzungsplan) | 1.383 m² |
Summe der Teilgrundstücksflächen | 5.093 m² |
Teilgrundstück A: Das um 1910 errichtete 2-geschossige Bewertungsobjekt mit nicht ausgebautem Dachgeschoss ist nicht unterkellert und besitzt an der West- sowie Südseite des Gebäudes einen angebauten Wintergarten. Das Objekt wurde 1993 nach etwa 5-jährigem Leerstand von der Antragstellerin und dem Antragsgegner erworben. Ab diesem Zeitpunkt wurde es grundlegend modernisiert.
Weiterhin befinden sich auf dem Grundstück ein ehemaliges Stallgebäude, welches nach Umbau als Sommerhaus genutzt wird sowie eine Scheune, welche sich auf der Südseite an das Sommer-Appartement anschließt.
Teilgrundstück B: Das Flurstück B mit einer Fläche von 1.398 m² dient zum Wertermittlungsstichtag als Pferdeweide. Gemäß Darstellung im rechtskräftigen Flächennutzungsplan handelt es sich aber um eine potentielle Baufläche, die bei gesicherter Erschließung zu Wohnzwecken bebaut werden kann. Insofern besitzt das Teilgrundstück die Qualität von Bauerwartungsland.
Teilgrundstück C: Das Flurstück C mit einer Fläche von 1.383 m² schließt sich im südlichen Bereich an das Flurstück B (Teilgrundstück B) an und dient zum Wertermittlungsstichtag ebenfalls als Pferdeweide. Im Flächennutzungsplan ist diese Fläche als Landwirtschaftsfläche dargestellt, es handelt sich somit auch um eine „reine“ Landwirtschaftsfläche, die nicht bebaut werden darf.
Bewertung
Gemäß den Europäischen Bewertungsstandards 2016 -EVS1 – ist der Marktwert wie folgt definiert:
„Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, zu dem ein Vermögensgegenstand in einem funktionierenden Markt zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion auf Basis von Marktpreisen verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“
Bei der Ermittlung des Marktwerts außerhalb von Deutschland in Staaten der EU werden die Europäischen Bewertungsstandards– EVS 2016 –zur Anwendung empfohlen.
Nach EVIP 5, Punkt 6 sind zur Ermittlung des Marktwerts
- das Vergleichswertverfahren (Comparative Method),
- das Ertragswertverfahren (Capitalisation Method) und
- das Sachwertverfahren / Kosten Methode (Coast Approach)
oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen.
Die Verfahren sind nach der Art des Gegenstandes der Wertermittlung unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls zu wählen; die Wahl ist zu begründen.
Entsprechend den Gepflogenheiten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und der sonstigen Umstände dieses Einzelfalls ist der Verkehrswert von Grundstücken mit der Nutzbarkeit des Bewertungsobjekts vorrangig mit Hilfe von Vergleichs- und Sachwertverfahren zu ermitteln, insbesondere weil diese üblicherweise nicht zur Erzielung von Erträgen, sondern zur (persönlichen oder zweckgebundenen) Eigennutzung bestimmt sind.
Für das Vergleichswertverfahren benötigt man Kaufpreise für Zweitverkäufe von gleichen oder vergleichbaren Bewertungsobjekten oder die Ergebnisse von diesbezüglichen Kaufpreisauswertungen. Bewertungsverfahren, die direkt mit Vergleichskaufpreisen durchgeführt werden, werden als „Vergleichskaufpreisverfahren” bezeichnet. Die Vergleichskaufpreise sind durch Zu- oder Abschläge an die wert(- und preis)bestimmenden Faktoren des zu bewertenden Objekts anzupassen.
Das Sachwertverfahren (Kostenmethode) basiert im Wesentlichen auf der Beurteilung des Substanzwerts. Der vorläufige Sachwert (d.h. der Substanzwert des Grundstücks) wird als Summe von Bodenwert, Gebäudesachwert (Wert des Normgebäudes sowie dessen besonderen Bauteilen und besonderen (Betriebs)Einrichtungen) und Sachwert der Außenanlagen (Sachwert der baulichen und nichtbaulichen Außenanlagen) ermittelt.
Im konkreten Bewertungsfall kommt nur das Vergleichswertverfahren zur Anwendung. Das Sachwertverfahren als mögliches Zweitverfahren für die Objektart Einfamilienhaus kann nicht angewandt werden, da die für die Sachwertermittlung erforderlichen Bodenrichtwerte nicht zur Verfügung stehen und die für die Marktanpassung notwendigen Umrechnungskoeffizienten (Überführung der Kosten auf den Grundstücksmarkt) nicht in ausreichender Qualität verfügbar sind. Somit ist eine marktkonforme Wertermittlung mittels Sachwertverfahren (Kostenmethode) nicht möglich.
Das Vergleichswertverfahren wird unter der Fiktion durchgeführt, dass über die wirtschaftliche Restnutzungsdauer eine ordentliche Instandhaltung erfolgt.
Teilgrundstück A
Der Vergleichswert des Grundstücks wird auf der Basis mehrerer Vergleichskaufpreise ermittelt. Für das Vergleichswertverfahren wurden insgesamt 22 Kaufpreise in der Region des Bewertungsobjekts, die aus den Jahren 2012 bis 2014 stammen, ausgewertet. In Auswertung dieser Kaufpreise hinsichtlich Eignung und nach Ausreißerbereinigung verbleiben insgesamt 5 Vergleichsobjekte, die zur Anwendung für das Vergleichswertverfahren hinreichend geeignet sind.
Die Vergleichskaufpreise sind durch Zu- oder Abschläge an die wert(- und preis)bestimmenden Faktoren des zu bewertenden Objekts anzupassen. Diese Anpassung erfolgt mit nachstehender Formel:
Wert nach Anpassung
Hv = Cvz x Ku / Vvz x Vnem / Kf | |
Hv | Wert nach Anpassung |
Cvz | Preis ohne Anpassung |
Ku | (Markt)Anpassungskoeffizient |
Vvz | Fläche des Vergleichsobjekts |
Vnem | Fläche des Bewertungsobjekts |
Kf | Preisbildungskoeffizient |
Den Vergleichsobjekten wurde entsprechend ihrer Eignung und der jeweiligen zeitlichen Nähe zum Wertermittlungsstichtag ein entsprechendes Verfahrensgewicht beigemessen und aus der Summe der Verfahrensergebnisse entsprechend ein gewogener Mittelwert abgeleitet.
Ergebnis | Gewicht | Verfahrenswert | gewichteter Wert |
Vergleichsobjekt 1 | 2,0 x | 2.699.637,00 Kč = | 5.399.274,00 Kč |
Vergleichsobjekt 2 | 2,0 x | 3.033.853,00 Kč = | 6.067.706,00 Kč |
Vergleichsobjekt 3 | 1,0 x | 3.381.142,00 Kč = | 3.381.142,00 Kč |
Vergleichsobjekt 4 | 1,0 x | 2.451.698,00 Kč = | 2.451.698,00 Kč |
Vergleichsobjekt 5 | 1,0 x | 3.043.103,00 Kč = | 3.043.103,00 Kč |
Summe der Gewichte: | 7,0 | 20.342.923,00 Kč ÷ 7,0 = 2.906.131,86 Kč |
Das gewogene Mittel aus den Verfahrensergebnissen beträgt rd. 2.906.131,86 Kč, das entspricht bei einem Umrechnungskurs von 24,587 rd. 118.200 €.
Der Wert für das Teilgrundstück A, Wohnhaus mit Nebengebäuden, 6 Flurstücke wird zum Wertermittlungsstichtag mit rd.118.200 € geschätzt.
Teilgrundstück B
Der Vergleichswert des Grundstücks wird auf der Basis mehrerer Vergleichskaufpreise ermittelt. Dabei wurden nur Vergleichskaufpreise ausgewählt, die der Entwicklungsstufe des Bewertungsgrundstücks entsprechen (Bauerwartungsland).
Die Vergleichskaufpreise sind durch Zu- oder Abschläge an die wert(- und preis)bestimmenden Faktoren des zu bewertenden Objekts anzupassen. Diese Anpassung erfolgt mit nachstehender Formel:
Wert nach Anpassung
Hv = Cvz x Ku / Vvz x Vpoz / Kf | ||
Hv | Wert nach Anpassung | |
Cvz | Preis ohne Anpassung | |
Ku | (Markt)Anpassungskoeffizient | |
Vvz | Fläche des Vergleichsobjekts | |
Vpoz | Grundstücksfläche | |
Kf | Preisbildungskoeffizient |
Den Vergleichsobjekten wurde entsprechend ihrer Eignung und der jeweiligen zeitlichen Nähe zum Wertermittlungsstichtag ein entsprechendes Verfahrensgewicht beigemessen und aus der Summe der Verfahrensergebnisse entsprechend ein gewogener Mittelwert abgeleitet.
Ergebnis | Gewicht | Verfahrenswert | gewichteter Wert |
Vergleichsobjekt 1 | 1,0 x | 490.432,00 Kč = | 490.432,00 Kč |
Vergleichsobjekt 2 | 1,0 x | 486.840,00 Kč = | 486.840,00 Kč |
Vergleichsobjekt 3 | 1,0 x | 448.077,00 Kč = | 448.077,00 Kč |
Summe der Gewichte: | 3,0 | 1.425.349,00 Kč ÷ 3,0 = 475.116,33 Kč |
Das gewogene Mittel aus den Verfahrensergebnissen beträgt rd. 475.116,33 Kč, das entspricht bei einem Umrechnungskurs von 24,587 rd. 19.300,00 €.
Der Wert für das Teilgrundstück B, Flurstück B wird zum Wertermittlungsstichtag mit rd. 19.300 € geschätzt.
Teilgrundstück C
Bewertungsmethodik wie Teilgrundstück B, wobei nur Vergleichskaufpreise verwendet wurden, die der Entwicklungsstufe des Bewertungsgrundstücks entsprechen (Fläche der Landwirtschaft).
Den Vergleichsobjekten wurde entsprechend ihrer Eignung und der jeweiligen zeitlichen Nähe zum Wertermittlungsstichtag ein entsprechendes Verfahrensgewicht beigemessen und aus der Summe der Verfahrensergebnisse entsprechend ein gewogener Mittelwert abgeleitet.
Ergebnis | Gewicht | Verfahrenswert | gewichteter Wert |
Vergleichsobjekt 1 | 1,0 x | 63.939,00 Kč = | 63.939,00 Kč |
Vergleichsobjekt 2 | 1,0 x | 48.927,00 Kč = | 48.927,00 Kč |
Summe der Gewichte: | 2,0 | 112.866,00 Kč ÷ 2,0 = 56.433,00 Kč |
Das gewogene Mittel aus den Verfahrensergebnissen beträgt rd. 56.433,00 Kč, das entspricht bei einem Umrechnungskurs von 24,587 rd. 2.300 €.
Der Wert für das Teilgrundstück C wird zum Wertermittlungsstichtag mit rd. 2.300,00 € geschätzt.
Marktwerte
Der Verkehrswert (Marktwert) für das mit einem Wohnhaus mit Wintergarten, einer Scheune sowie einem Sommerhaus bebaute Grundstück in Tschechien (Teilgrundstück A) wird zum Wertermittlungsstichtag mit rd. 118.200 € geschätzt.
Der Verkehrswert (Marktwert) der beiden unbebauten Grundstücke (Teilgrundstücke B und C) beträgt zum Wertermittlungsstichtag rd. 21.600 €.
Fazit
Es ist durchaus nicht unüblich, dass deutsche Staatsbürger Immobilien im Ausland erwerben und diese, z.B. bei einer Vermögensauseinandersetzung, bewertet werden müssen. In der Bewertungsregion des Sachverständigen, dem Dreiländereck mit den Grenzen zu Polen und Tschechien, ist eine Zunahme der länderübergreifenden Immobilienerwerbe, sowohl von, aber auch nach Deutschland, zu verzeichnen. Der Bewertungssachverständige wird dabei vor die Aufgabe gestellt, kompetente Kaufunterstützung und/oder belastbare Werteinschätzungen anzubieten bzw. entsprechende Dienstleistungen zu vermitteln.
Zumindest in Tschechien kann dieser Dienstleistungsnachfrage durch das Sachverständigenbüro Hiller-Schleehuber jetzt Rechnung getragen werden, da durch die Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen Ing. Zdenek Tomicek aus Liberec sowohl verlässliche Marktwertermittlungen wie auch Kauf- und Verkaufsberatungen angeboten werden können.
[1] Der Beitrag ist anonymisiert
[2] aber nach den europäischen Bewertungsstandards als Recognised European Valuer von der TEGoVA (The European Group of Valuers Associations) zertifiziert ist (Zertifizierung nach EVS 2016) und somit die erforderliche Qualifikation neben der deutschen öffentlichen Bestellung besitzt.