Hohes Alter allein schützt nicht vor Kündigung

26. Juli 2021

Bei einer Kündigung durch den Vermieter begründet nur das hohe Alter eines Mieters noch keine ungerechtfertigte Härte, die ihn zur Fortsetzung des Mietverhältnisses berechtigt. (BGH, Urteil vom 3. Februar 2021, Az. VIII ZR 68/19)

Der Fall
Eine im Jahr 1932 geborene Frau mietete seit 1997 eine Wohnung. 2015 erwarb die Klägerin die Wohnung und trat somit als Vermieterin in das Rechtsverhältnis ein. Im selben Jahr kündigte die neue Eigentümerin das Mietverhältnis mit der Frau ordentlich zum Juli 2016. Begründet wurde dies mit dem Eigenbedarf der Vermieterin und deren Wunsch, nicht mehr mit ihrem Sohn zur Miete zu wohnen. Sie beabsichtige stattdessen, künftig allein in der Wohnung zu leben. Die Mieterin widersprach der Kündigung und verwies unter anderem auf ihr hohes Alter.

Die Folgen
Das erstinstanzliche Gericht gab der Seniorin Recht und ordnete die Fortsetzung des Mietverhältnisses an. Die Berufung der Vermieterin blieb ohne Erfolg. Begründet hatte das Berufungsgericht dies mit dem hohen Alter der Mieterin, dessen besonderer Schutz grundgesetzlich verankert ist. Seinen Ausdruck findet dies in der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip. Der BGH hob diese Entscheidung auf und verneint einen Anspruch der Frau, die Fortsetzung des Mietverhältnisses nur aufgrund ihres hohen Alters zu verlangen. Allein deshalb kann noch keine ungerechtfertigte Härte resultieren, denn das hohe Alter besagt noch nichts über die Persönlichkeit, den körperlichen und psychischen Zustand sowie die Fähigkeit der betreffenden Person aus, die mit einem Umzug verbundenen Herausforderungen zu meistern. Es müssen daher weitere, konkrete Anhaltspunkte hinzutreten.

Was ist zu tun?
Sowohl die Eigenbedarfskündigung als auch deren Widerspruch sind sehr formelle und aufwendige Verfahren für die jeweils betroffene Partei. Letztlich konkurrieren hier nämlich diverse Grundrechte miteinander. Daher gilt für beide Parteien, dass es zwingend erforderlich ist, mehrere stichhaltige Gründe anzuführen, um das eigene Begehren zu stützen. Für den widersprechenden Mieter können dies wesentliche Gesundheitsbeeinträchtigungen, langjährige Verwurzelung am Ort der streitgegenständlichen Wohnung oder begrenzte Finanzmittel zur Beschaffung anderweitigen Wohnraums sein. Ein Vermieter kann das Eigentumsrecht anführen sowie persönliche Belange, beispielsweise den Wunsch, im fortgeschrittenen Alter mietfrei zu wohnen. Es können dabei auch mehr als die in der Eigenbedarfskündigung vorgebrachten Argumente vorgetragen und in die Abwägung eingebracht werden. Denn beide Seiten müssen gewichtige Argumente anführen, weshalb sie zum einen dem Vermieter den Zugriff auf sein Eigentum verwehren oder zum anderen einem Mieter den langjährigen Lebensmittelpunkt entziehen wollen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 22.7.2021, Ausgabe 29/2021)