Im Zweckentfremdungsrecht ist ein Mietendeckel verfassungswidrig

21. Oktober 2019

Die Regelung im Berliner Zweckentfremdungsrecht, wonach für Ersatzwohnraum zeitlich unbegrenzt ein geringer Mietpreis festgelegt werden muss, verletzt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist nichtig. (VG Berlin, Urteil vom 27. August 2019, Az. VG 6 K 452.18 (nicht rechtskräftig))

DER FALL
Ein Grundstück in Berlin-Charlottenburg ist mit einem Mehrparteienhaus aus dem Jahr 1960 bebaut. Das Haus umfasst 30 Mietwohnungen, hat eine Wohnfläche von über 1.300 m² und steht seit einem Jahr leer. Die Eigentümerin will das Gebäude durch einen Neubau mit 60 Eigentumswohnungen und einer Fläche von 3.500 m² ersetzen. Nach dem Zweckentfremdungsrecht ist für den Abriss eine Genehmigung nötig, die das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf aber nicht erteilen will. Die Begründung: Die Neubauwohnungen seien für einen durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt nicht bezahlbar. Dagegen klagte die Eigentümerin.

DIE FOLGEN
Der Abriss muss genehmigt werden, so das VG Berlin. Der Wohnraumverlust wird durch den Neubau mehr als ausgeglichen, denn es entsteht eine größere Wohnfläche als zuvor. Trotz eines höheren Standards dienen die Eigentumswohnungen der Versorgung des allgemeinen Wohnungsmarkts. Die Voraussetzung für eine Abrissgenehmigung, nämlich dass Ersatzwohnraum nicht mehr als 7,92 Euro/m² netto kalt kosten darf, ist nichtig. Denn das Zweckentfremdungsverbot dient nicht dem Schutz der Mieter. Vielmehr soll es verhindern, dass bestehender Wohnraum anderweitig genutzt wird. Das rechtfertigt aber keine Mietpreisregulierung für die neuen Wohnungen. Im Gegenteil werden hierdurch Neubauten wesentlich erschwert. Dass für Ersatzwohnraum jeglicher Art und Lage zeitlich unbegrenzt ein geringer Mietpreis festgelegt wird, verletzt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

WAS IST ZU TUN?
Nachverdichtungen und Innenentwicklungen sind das Gebot der Stunde, scheitern aber häufig an Restriktionen alter Bebauungspläne oder neuerdings am Zweckentfremdungsrecht. Denn das Land Berlin hat den Abriss von schützenswertem Wohnraum unter Genehmigungsvorbehalt gestellt und verlangt, dass Ersatzwohnraum geschaffen wird. Aber dieser Ersatzwohnraum soll nach aktueller Rechtslage zudem preisgedämpft sein. Das erweist sich als massive Neubaubremse, v.a. wenn das Baurecht durch einen Bebauungsplan qualifiziert und auch ein Sozialwohnanteil von 30% zu 6,50 Euro/m² realisiert werden müssen. Erfreulich ist, dass das VG der Mietobergrenze im Zweckentfremdungsrecht eine Abfuhr erteilt: Die Regelung ist nichtig. Gleiches gilt für die Pläne des Landes Berlin, die Mieten zu deckeln. Neben der vom VG auch in Zweifel gezogenen Gesetzgebungskompetenz fehlt entsprechenden Plänen in jedem Fall die Verhältnismäßigkeit. Dass das Land Berlin zur Räson findet, darf gleichwohl bezweifelt werden. Auch weiterhin müssen wohl die Gerichte bemüht werden.

(Quelle: Immobilien Zeitung 17.10.2019, Ausgabe 42/2019)