In einer Gemengelage kann die Bauweise frei gewählt werden

10. Mai 2021

In einem unbeplanten Gebiet mit offener und geschlossener Bauweise sind beide Bauweisen zulässig, unabhängig davon, welche zahlenmäßig überwiegt. (OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2021, Az. 7 A 1791/19)

DER FALL
Die Kläger richten sich gegen die Erweiterung eines grenzständig errichteten Gebäudes auf dem Nachbargrundstück. Auf ihrem Grundstück befindet sich ebenfalls ein grenzständig errichtetes Gebäude, das an das Nachbargebäude angrenzt und seinem Maß entspricht. Aufgrund der überwiegend offenen Bauweise in der näheren Umgebung halten die Kläger die zwei Gebäude für ein Doppelhaus. Die Erweiterung des Nachbargebäudes würde zum Wegfall des Doppelhaus-Charakters führen, was sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

DIE FOLGEN
Das VG hat in seiner Entscheidung die „Doppelhausrechtsprechung“ angeführt, aber das OVG geht davon aus, dass diese hier keine Anwendung findet. Denn die maßgebliche nähere Umgebung stellt sich nicht als ausschließlich offene Bauweise dar. Es handelt sich um eine Gemengelage zwischen offener und abweichender Bauweise i.S.d. § 22 Abs. 3 BauNVO mit prägenden Vorbildern für das Vorhaben. In einem Bereich, der bei quantitativer Betrachtung überwiegend in offener Bauweise bebaut ist, fügt sich eine abweichende Bebauung ein, wenn dafür in der maßgeblichen Umgebung Vorbilder vorhanden sind, die keine Fremdkörper sind.

WAS IST ZU TUN?
Bei Vorhabengrundstücken im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB) ist die nähere Umgebung im Hinblick auf die Bauweise genau zu untersuchen, insbesondere wenn ein vermeintliches Doppelhaus verändert werden soll. Ist in der näheren Umgebung sowohl die offene Bauweise als auch die geschlossene oder abweichende Bauweise vorzufinden, kann der Bauherr frei wählen, in welcher Bauweise er sein Vorhaben realisiert. Das auch unabhängig davon, ob ein Bestandsgebäude ursprünglich in offener Bauweise errichtet wurde. Dies kann dazu führen, dass ein Grundstück, das ursprünglich in offener Bauweise bebaut wurde, aufgrund einer im Laufe der Jahre entstandenen Gemengelage in der näheren Umgebung weitergehend bebaut werden kann. Denn es ist dann zulässig, das Gebäude in geschlossener Bauweise zu erweitern. Zuvor einzuhaltende Abstandsflächen fallen dadurch weg. Die gründliche Ermittlung der Eigenart der näheren Umgebung in unbeplanten Innenbereichen kann eine Vielzahl an Planungsvarianten eröffnen. Diese lassen möglicherweise eine umfassendere Bebauung des jeweiligen Grundstücks zu. Für Bauherren besteht damit eine größere Flexibilität, wenn sie bestehende Gebäude erweitern oder Grundstücke neu bebauen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 6.5.2021, Ausgabe 18/2021)