Kein Steuernachteil bei früherem Auszug wegen Krankheit

06. Februar 2023

Wenn der Erbe das Familienheim aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst nutzen kann und innerhalb der Zehnjahresfrist verkauft, droht ausnahmsweise keine Nachversteuerung.
(BFH, Urteil vom 1. Dezember 2021, Az. II R 18/20)

Der Fall
Im Urteilsfall lebte die Ehefrau nach dem Tod ihres Mannes weiterhin in dem bisherigen Familienheim. Dadurch blieb der Erwerb dieses Grundstücks von der Erbschaftsteuer befreit. Aus gesundheitlichen Gründen zog sie jedoch innerhalb der in § 13b Abs. 1 Nr. 4b ErbStG geregelten zehnjährigen Nachbehaltens- und Verwendungsfrist aus dem Familienheim aus. Das Finanzamt führte daher eine Nachversteuerung für den Erwerb des Familienheims durch. Dagegen klagte die Ehefrau, weil sie nach ihrer Auffassung aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung des Familienheims gehindert war. Das Finanzgericht wies ihre Klage ab, erst der Bundesfinanzhof befürwortete eine Ausnahme.

Die Folgen
Der BFH hielt bislang eine Ausnahme von der Nachversteuerung für möglich, wenn der Erwerber das Familienheim aus zwingenden Gründen nicht mehr selbst nutzen konnte – beispielsweise wenn der Erwerber verstarb oder in einem Pflegeheim untergebracht werden musste. Dagegen war eine Ausnahme nicht möglich, wenn der Erwerber etwa aus beruflichen Gründen umzog. Hier hat der BFH nun eine weitere Ausnahme bejaht und klargestellt, dass sich die Gründe auf das übertragene Familienheim beziehen müssen. Daher ist eine Ausnahme auch möglich, wenn die Führung eines Haushalts – wie im vorliegenden Fall aufgrund einer Depressionserkrankung – nicht mehr in diesem Haushalt, aber in einer anderen Wohnung noch möglich war. Liegt ein solcher Ausnahmegrund vor, löst auch der Verkauf des Familienheims keine Nachversteuerung aus.

Was ist zu tun?
Es ist erfreulich, dass der BFH über den Tod und die Pflegebedürftigkeit hinaus weitere Ausnahmen anerkennt, unter welchen eine Selbstnutzung des Familienheims aus zwingenden Gründen nicht möglich ist. Solche können vorliegen, wenn sie dem Erwerber eine selbstständige Haushaltsführung in dem Familienheim unzumutbar machen. Neben gesundheitlichen Gründen sind Ausnahmen wegen der baulichen Beschaffenheit des Hauses denkbar, jedoch nur, wenn eine Zwangslage besteht. Hingegen sind persönliche oder wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen nicht ausreichend. Zu beachten ist, dass diese Gründe auch nachgewiesen werden müssen, zum Beispiel bei Erkrankungen durch eine ärztliche Bestätigung. Zur Vermeidung einer Nachversteuerung könnte das Familienheim bereits zu Lebzeiten auf den Ehegatten bzw. Lebenspartner übertragen werden, weil diese Steuerbefreiung – im Gegensatz zur Übertragung nach dem Tod – unter keiner zehnjährigen Nachbehaltens- und Verwendungsfrist steht.

(Quelle: MHL, Steuerberaterin Dr. Katrin Dorn von Möhrle Happ Luther in Immobilien Zeitung 2.2.2023, Ausgabe 5/2023)