Keine Kündigung wegen Eigenbedarfs auf Vorrat

23. Januar 2017

Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs reicht eine sogenannte Vorratskündigung, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt, nicht aus. (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016, Az. VIII ZR 300/15)

DER FALL
Die Klägerin war Mieterin einer Einzimmerwohnung des beklagten Vermieters. Dieser hatte das Mietverhältnis gekündigt und geltend gemacht, die Wohnung werde „dringend“ benötigt, um seine pflegebedürftige, zum damaligen Zeitpunkt 85-jährige Mutter aufzunehmen. Der nachfolgende Räumungsrechtsstreit wurde durch einen Prozessvergleich beendet, in dem die Parteien eine Räumungsfrist bis zum 31. August 2012 vereinbarten und die Mieterin bei fristgerechtem Auszug 1.000 Euro erhalten sollte. Seit ihrem Auszug im August 2012 stand die von ihr geräumte Wohnung leer. Die Mutter des Vermieters zog nicht um und verstarb im November 2014. Die Mieterin verlangte Schadenersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs.

DIE FOLGEN
Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt nicht vor, wenn die vom Vermieter benannte Eigenbedarfsperson gar nicht die Absicht hat, in die Wohnung einzuziehen. Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs reicht daher eine sog. Vorratskündigung, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt, nicht aus. Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch so weit „verdichtet“ haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist. In diesen Fällen obliegt dem Vermieter die Darlegungslast für die in seinem Kenntnisbereich liegenden Umstände, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. An dieser Stelle sind an den Vortrag des Vermieters strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt es wiederum dem Mieter, den Beweis für seine Behauptung, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte, zu führen.

WAS IST ZU TUN?
Wenn wirklich ein Eigenbedarf besteht, ist die Rechtsprechung durchaus großzügig und akzeptiert zum Beispiel auch Eigenbedarf bei einer Vermieter-GbR. Solange der Eigennutzungswunsch des Vermieters noch nicht hinreichend bestimmt ist, sollte der Vermieter von einer Kündigung absehen bzw. erst kündigen, wenn sich der Eigenbedarf konkretisiert hat. Kann der Selbstnutzungswunsch nach Auszug des Mieters nicht oder nicht in absehbarer Zeit umgesetzt werden, so ist dem Vermieter zu raten, die Gründe hierfür sorgfältig zu dokumentieren.

(Quelle: Immobilien Zeitung 19.1.2017, Ausgabe 3/2017)