Keine Wohnungskündigung wegen Eigenbedarf für Aktenschränke

05. Mai 2017

Geschäftsbedarf ist nicht mehr automatisch Eigenbedarf, der zur Wohnraumkündigung berechtigt. (BGH, Urteil vom 29. März 2017, Az. VIII ZR 45/16)

DER FALL
In einem Berliner Wohnhaus betreibt der Ehemann der Klägerin ein Beratungsunternehmen. Die Gattin kündigt eine Wohnung im gleichen Haus, damit dort u.a. ein Aktenlager eingerichtet werden kann. Die Räumungsklage gegen den dort seit 40 Jahren wohnenden Mieter scheitert vor dem AG und dem LG. Sie halten zwar die Kündigung grundsätzlich wegen Eigenbedarfs für gerechtfertigt, der Umnutzung stünden jedoch die neuen Berliner Vorschriften zur Zweckentfremdung entgegen. Der BGH hält dies im Ergebnis für richtig, er lässt die Kündigung aber schon daran scheitern, dass derartige Fälle nicht mehr typischerweise als „Eigenbedarf“ gelten dürfen.

DIE FOLGEN
Der erste Absatz des § 573 BGB enthält eine Generalklausel, wonach die Kündigung eines Wohnraummietvertrags stets eine einzelfallbezogene Abwägung der Belange erfordert. Ganz anders die Regelbeispiele in Absatz 2 der Norm, bei denen der Gesetzgeber die Abwägung bereits typisiert vorgenommen hat. So überwiegen bei der dort genannten Eigenbedarfskündigung die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Vermieters, solange er nachvollziehbare Gründe vorträgt. Anders bei der Verwertungskündigung, hier hat das wirtschaftliche Interesse des Vermieters nur ausnahmsweise Vorrang. Bislang hat die Rechtsprechung die Fälle des sog. Berufs- oder Geschäftsbedarfs als typische Unterfälle des Eigenbedarfs angesehen und die Kündigungen akzeptiert, solange der Vermieter einen ernsthaften Nutzungsentschluss nachweisen konnte. Das beendet der BGH nun und ordnet diese Fallgruppe in den ersten Absatz ein, sodass eine umfangreiche Einzelfallprüfung notwendig wird. Dabei soll je nach konkreter Ausgestaltung des Geschäftsbedarfs dessen Beurteilung zwischen Eigenbedarf und Verwertungskündigung pendeln: Will der Vermieter in der Wohnung sowohl wohnen als auch einer geschäftlichen Tätigkeit nachgehen, wird er sich in der Regel durchsetzen. Wird hingegen die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken benötigt, hat die Kündigung eher keinen Erfolg, es sei denn, dem Vermieter entsteht ein Nachteil von einigem Gewicht.

WAS IST ZU TUN?
Nach wie vor können Vermieter Mietwohnungen kündigen, wenn sie darin einer geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit nachgehen wollen. In jedem Fall aber steigen die Erfordernisse an die Kündigungsbegründung schon im Kündigungsschreiben. Sicher kann nur der Vermieter sein, der beweisen kann, dass er in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt nehmen will und/oder seine konkrete Lebensgestaltung die Nutzung der Mietwohnung erfordert. Dabei kann der Vermieter auch mit der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Personen oder mit eigenen gesundheitlichen Einschränkungen argumentieren.

(Quelle: Immobilien Zeitung 27.4.2017, Ausgabe 17/2017)