Mieter muss nicht mit Baulärm aus der Nachbarschaft rechnen
Ein Vermieter darf dem Mieter eine Mietminderung wegen Baulärm nicht mit dem Argument verweigern, er hätte bei Vertragsschluss davon ausgehen müssen, dass ein unbebautes Nachbargrundstück eines Tages bebaut wird. (LG Berlin, Urteil vom 9. Januar 2020, Az. 67 S 230/19)
Der Fall
Die Mieter einer Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz in Berlin verklagen ihren Vermieter. Das Nachbargrundstück ist zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses nicht bebaut, während der Laufzeit des Mietvertrags wird jedoch mit einer Bebauung begonnen: Es entstehen 92 Eigentumswohnungen, acht Stadthäuser und zwei Gewerbeeinheiten – und erheblicher Baulärm wirkt auf die Wohnung ein. Mieter und Vermieter streiten um eine Mietminderung.
Die Folgen
Ein Mieter kann sich auf Mängelgewährleistungsrechte beispielsweise in Form von Minderung, Kündigung oder Schadenersatz berufen. Das gilt allerdings nicht, wenn er den Mangel bei Vertragsschluss kannte (§ 536b S. 1), und auch dann nicht, wenn er den Mangel nur grob fahrlässig nicht kannte (§ 536b S. 2 BGB). Dies ist anzunehmen, wenn in einem konkreten Fall jedem einleuchten muss, dass ein Mangel vorliegt. Das LG Berlin ist hier nicht von einer solchen grob fahrlässigen Unkenntnis des Mieters ausgegangen. Ist ein Grundstück unbebaut, muss der Mieter ohne besondere Veranlassung nicht davon ausgehen, dass eine Bebauung unmittelbar bevorsteht. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch für Grundstücke in zentraler Innenstadtlage. Demnach kann der Mieter hier seine Mängelgewährleistungsrechte ausüben und eine geminderte Miete zahlen.
Was ist zu tun?
Bestenfalls sollten sich Vermieter vor Abschluss eines Mietvertrags darüber informieren, ob konkrete Bauvorhaben in der Umgebung des jeweiligen Mietgegenstands bevorstehen oder ob es potenzielle Bauvorhaben bzw. unbebaute Grundstücke gibt, die gegebenenfalls Quellen von Baulärm sein könnten. Ist dies der Fall, sollte das dem Mieter möglichst auch im Mietvertrag zur Kenntnis gebracht werden. Soweit verhandelbar und rechtlich zulässig, kann das im Mietvertrag berücksichtigt werden. Zum Beispiel ist ein Gewährleistungsausschluss denkbar, der die Folgen von Baumaßnahmen betrifft. Zu beachten sind hierbei auch AGB-rechtliche Anforderungen. Gewährleistungsausschlüsse, die ganz allgemein Gewährleistungsrechte des Mieters für baulärmbedingte Mängel ausschließen, bergen ein hohes Risiko, aufgrund von Intransparenz unwirksam zu sein. Sofern der Mietgegenstand voraussichtlich im Einwirkungsbereich einer potenziellen oder sogar bevorstehenden späteren Bebauung liegt, sollte diese daher möglichst konkret vor allem im Hinblick auf das betroffene Baugrundstück sowie die zu erwartenden Baumaßnahmen und Beeinträchtigungen beschrieben werden. So lässt sich ein etwaiger Gewährleistungsausschluss möglichst weitgehend spezifizieren.
(Quelle: Immobilien Zeitung 9.4.2020, Ausgabe 15/2020)