Mietstundung wegen Corona auch rückwirkend möglich
Soll ein Gewerberaummietvertrag wegen Störung der Geschäftsgrundlage infolge der Corona-Pandemie angepasst werden, kann die Miete im Einzelfall auch rückwirkend gestundet werden.
(KG, Urteil vom 25. April 2022, Az. 8 U 158/21)
Der Fall
Der Mieter einer Gaststätte musste sein Lokal wegen der Corona-Pandemie schließen. Weil er keine Umsätze erzielte, war er nicht in der Lage, die Mieten für November und Dezember 2020 zu zahlen. Bei Vertragsschluss hatte er sich wegen der Räumung der sofortigen Zwangsvollstreckung durch notarielle Urkunde unterworfen. Der Vermieter kündigte ihm wegen Zahlungsverzugs Anfang Dezember 2020 fristlos und betrieb die Räumungsvollstreckung, wogegen sich der Mieter mit einer Vollstreckungsgegenklage wehrte. Er hatte erstmals mit einem Anwaltsschreiben im Januar 2021 – und damit nach der Kündigung – eine Herabsetzung der November- und Dezember-Mieten geltend gemacht.
Die Folgen
Das KG hielt die Kündigung für unwirksam und erklärte die Räumungsvollstreckung für unzulässig. Ergänzend zur Corona-Rechtsprechung des BGH kommt laut dem Gericht nicht nur eine Herabsetzung der Mieten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht, sondern auch eine temporäre Beschränkung der Zahlungspflicht. Der Mieter war schon aufgrund der Geschäftsschließung ab dem 2. November hinsichtlich der November-Miete, jedenfalls aber wegen der Verlängerung des Lockdowns hinsichtlich der Dezember-Miete berechtigt, unter Hinweis auf seine erheblichen pandemiebedingten Umsatzeinbußen die Stundung eines angemessenen Teils der Miete zu fordern. In den Fällen, in denen ein Geschäftslokal geschlossen werden musste und daher wenige oder gar keine Umsätze erzielt wurden, ist eine Stundung eines Teils der Miete als Ausdruck einer pandemiebedingten Risikoteilung interessengerecht, wobei das KG Literaturstimmen zitiert, wonach 50% der Miete gestundet werden können. Bereits der Wegfall der Geschäftsgrundlage und nicht erst das Anpassungsverlangen schließen den Verzug aus. Auch ist ausnahmsweise der Vertrag rückwirkend anzupassen.
Was ist zu tun?
Wegen der Schadensminderungspflicht haben die Mieter im Rahmen der staatlichen November- und Dezemberhilfen den Schaden so zu berechnen, als hätten sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den entstandenen Schaden – wozu auch die Mietkosten gehören – so gering wie möglich zu halten. Ein Verzicht auf Mietanpassung gegenüber dem Vermieter kann für die Mieter dazu führen, dass sie gegenüber dem Staat haften. Deswegen ist die Lösung über die Stundung zu begrüßen, bis der Umfang der endgültigen Mietherabsetzung unter Berücksichtigung der staatlichen Hilfen festgestellt werden kann – sei es durch außergerichtliche Einigung oder im gerichtlichen Verfahren.
(Quelle: Immobilien Zeitung 10.11.2022, Ausgabe 45/2022)