Nachbarzustimmung gilt auch, wenn die Bauausführung sich ändert

11. Mai 2018

Stimmt ein Nachbar im Genehmigungsverfahren einem Bauvorhaben zu, gilt die Zustimmung weiter, auch wenn die Bauausführung nachträglich geändert wird. (OVG NRW, Urteil vom 5. September 2017, Az. 7 A 1069/14)

DER FALL
Ein Bauherr möchte ein Mehrfamilienhaus umbauen und sanieren. Dazu muss die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von der Lage der Abstandflächen zulassen (§ 6 Abs. 2 BauO NRW). Der Nachbar erklärt sich damit einverstanden. Er gibt auf den Bauvorlagen „zu dem dargestellten Vorhaben“ eine Zustimmungserklärung ab und unterschreibt die Unterlagen. Anstatt das Mehrfamilienhaus wie angekündigt lediglich zu sanieren, wird jedoch ein Teil des Gebäudes abgebrochen und neu errichtet. Mit dem Bauvorhaben in dieser geänderten Ausführung ist der Nachbar jedoch nicht einverstanden, obwohl es den ursprünglichen Plänen ähnlich ist. Er wendet sich daher an die Bauaufsichtsbehörde und fordert, dass sie gegen dieses abgeänderte Bauvorhaben einschreitet. Er argumentiert, dass sich seine Nachbarzustimmung nicht auf das neue Vorhaben beziehe. Die Lage der Abstandflächen sei wegen der fehlenden Zustimmung rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Die Behörde lehnt den Antrag ab.

DIE FOLGEN
Der Nachbar klagt auf bauaufsichtliches Einschreiten – seine Klage wird jedoch in beiden Instanzen abgewiesen. Seine Forderung ist treuwidrig, weshalb sein Abwehrrecht verwirkt ist, entscheidet das OVG Nordrhein-Westfalen. Das neue Vorhaben entspricht in den wesentlichen Punkten demjenigen, dem der Nachbar im Vorfeld zugestimmt hatte. Er wird durch die geänderte Ausführung nicht stärker beeinträchtigt als bei der Umsetzung des ursprünglichen Vorhabens. Der Bauherr darf deshalb davon ausgehen, dass sein Nachbar auch mit unwesentlichen Abweichungen vom ursprünglichen Bauvorhaben einverstanden ist.

WAS IST ZU TUN?
Bevor man eine Nachbarzustimmung abgibt, sollte man sich sehr genau überlegen, ob man mit dem Vorhaben des Bauherrn tatsächlich einverstanden ist. Denn nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts stimmt der Nachbar damit gleichermaßen auch Abweichungen von der ihm bekannten Planung zu, wenn seine Rechte dadurch nicht stärker beeinträchtigt werden. Wurden die ursprünglichen Bauvorlagen erst einmal unterschrieben, kann das geänderte Bauvorhaben nur verhindert werden, wenn es zu neuen nachbarrechtsrelevanten Rechtsverletzungen kommt, die von der Zustimmung nicht abgedeckt waren. Der Nachbar muss sich deshalb darüber im Klaren sein, dass er das Vorhaben auch dann nicht verhindern kann, wenn er die geänderte Ausführung für subjektiv unangenehm oder belästigend hält, solange daraus keine Rechtsverletzung im Sinne einer unzumutbaren Belästigung entsteht, die nicht vorhersehbar war.

(Quelle: Immobilien Zeitung 3.5.2018, Ausgabe 18/2018)