Nicht jede Formularklausel fällt unter das AGB-Recht

11. Mai 2017

Auch eine von einer Partei einseitig vorgegebene Musterklausel unterliegt nicht der strengen AGB-Kontrolle, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass diese Vertragspartei treuhänderisch und ohne wirtschaftliches Eigeninteresse gehandelt hat. (BGH, Urteil vom 27. Januar 2017, Az. V ZR 130/15)

DER FALL
Der Kläger besaß ein Erbbaurecht am Grundstück des beklagten Eigentümers. Der zugrunde liegende Vertrag von 1964 verpflichtete ihn, das Grundstück jederzeit auf Verlangen des Eigentümers zu kaufen. 2008 zog der Beklagte diese Option. Der Kläger, der das Grundstück nicht kaufen wollte, ging vor Gericht. Die Verkaufsklausel sei eine vom Rechtsvorgänger des Eigentümers einseitig vorgegebene allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), die ihn unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei. Unstreitig beruhte der Erbbauvertrag auf einem vorgegebenen und mehrfach verwendeten Muster des damaligen Grundeigentümers, einer gemeinnützigen Treuhandgesellschaft. Diese hatte zur Schaffung von Bauland Grundstücke verschiedener Eigentümer (auch vom Beklagten) erworben und neu zugeschnitten, um sie dann – belastet mit Erbbaurechten zugunsten verschiedener Wohnungsunternehmen – wieder an die ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben. So sollten für die Wohnbebauung geeignete Grundstücke geschaffen werden, ohne verkaufsunwilligen Eigentümern die Grundstücke dauerhaft zu nehmen.

DIE FOLGEN
Anders als der Kläger hält der BGH die Verkaufsoption für wirksam. Zwar genüge die Klausel nicht AGB-rechtlichen Anforderungen. Das AGB-Recht sei vorliegend jedoch gar nicht anwendbar. Dazu hätte die Klausel einseitig vom beklagten Eigentümer oder einer ihm zurechenbaren Person gestellt worden sein müssen – was hier nicht der Fall war. Auch wenn die Treuhandgesellschaft formal Rechtsvorgängerin des Beklagten ist, kann ihr einseitiges Vorgeben des Vertragsmusters dem Beklagten nicht zugerechnet werden, so der BGH. Denn die Treuhandgesellschaft habe als neutraler Dritter gehandelt. Ihre Rolle im Rahmen des Gesamtprojekts hat sich darauf beschränkt zu vermitteln und die unterschiedlichen Interessen von verkaufsunwilligen Grundeigentümern und Bauland suchenden Wohnungsunternehmen zum Ausgleich zu bringen. Damit fehle es am AGB-typischen einseitigen Ausnutzen privat autonomer Gestaltungsmacht.

WAS IST ZU TUN?
Der Fall zeigt, dass nicht jede Verwendung von Vertragsmustern dem strengen AGB-Recht unterliegt. Das gilt nicht nur dann, wenn beide Parteien sich auf die Verwendung eines Mustervertrags einigen, sondern im Einzelfall sogar auch, wenn eine Partei das Vertragsmuster einseitig vorgibt. Auch wenn die im Urteil behandelte Konstellation einer „neutralen Vertragspartei“ in der Praxis selten sein wird, lohnt es sich doch, im Einzelfall genauer hinzusehen, führte dieser Umstand hier doch dazu, dass der ganze Vertrag rechtlich als Individualvereinbarung angesehen wurde.

(Quelle: Immobilien Zeitung 4.5.2017, Ausgabe 18/2017)