Nur der Eigenbesitzer ist vor Zwangsvollstreckung geschützt

06. Juli 2016

Der Wohnraumschutz des Eigentümers und seiner mitwohnenden Angehörigen (§ 149 Abs. 1 ZVG) setzt voraus, dass der Eigentümer als Verfahrensschuldner der Zwangsverwaltung bei der Beschlagnahme (§ 148 ZVG) Eigenbesitzer (§ 872 BGB) ist. (BGH, Urteil vom 21. April 2016, Az. IX ZR 72/14)

DER FALL
Die Beklagten waren Eigentümer eines mit ihren Söhnen bewohnten Hauses in Lutherstadt Wittenberg. Sie vermieteten die Gebäudeflächen, um die es im Verfahren geht, zur unbefristeten und vollständigen Nutzung an eine von ihnen selbst gegründete ursprünglich mitverklagte Gesellschaft. Von dieser mieteten sie die darin enthaltene Wohnung zurück. Danach wurde durch eine Gläubigerin der Beklagten die Zwangsverwaltung betrieben. Der Zwangsverwalter nahm in der Folge das Grundstück in Besitz und kündigte die Wohnung. Die Räumungsklagen des Zwangsverwalters hatten in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg: Weder die Grundstückseigentümer noch ihre Söhne zogen aus. Sie beriefen sich auf den Mietvertrag, ihre Vereinbarung mit der Gesellschaft und auf ihre Rechte nach § 149 Abs. 1 ZVG.

DIE FOLGEN
Auf die Revision des Zwangsverwalters hat der BGH das Urteil der zweiten Instanz aufgehoben. Er entschied, dass der Wohnraumschutz des Eigentümers in der Zwangsverwaltung nur dann besteht, wenn der Verfahrensschuldner und Eigentümer auch zum Zeitpunkt der Beschlagnahme unmittelbaren Eigenbesitz an der betreffenden Wohnung hat. Da die Vorinstanzen keine Feststellungen dazu getroffen haben, ob die Beklagten Eigen- oder Fremdbesitz bezüglich der Wohnräume hatten, verwies der BGH die Sache an die Vorinstanz zurück.

WAS IST ZU TUN?
Vorliegend geht es um die Rechte der Personen, die in ihrem Eigentum wohnen, welches der Zwangsverwaltung unterworfen wurde. Grundsätzlich sollen solche Personen und alle mitwohnenden Familienangehörigen ähnlich den Pfändungsfreigrenzen und unpfändbaren Gegenständen bei der Mobiliarzwangsvollstreckung insoweit geschützt sein, als angemessener Wohnraum verbleibt und Obdachlosigkeit vermieden wird. Daher darf ein Verfahrensschuldner, wenn er zum Zeitpunkt einer Beschlagnahme auf dem Grundstück wohnt, in den für seinen Hausstand unentbehrlichen Räumen wohnen bleiben. Voraussetzung ist nach dem Tatbestand des § 149 Abs. 1 ZVG jedoch, dass der Eigentümer unmittelbarer Eigenbesitzer ist, er also wie ein Eigentümer mit seinem Wohnraum verfahren kann. Hat er, zu welchem Zweck auch immer, zunächst einem Dritten seinen Wohnraum vermietet und mietet dann zurück, so läuft er Gefahr, seinen Wohnraumschutz zu verlieren. Schuldner tun gut daran, solche Zwischenvermietungen zu vermeiden, wenn sie dadurch ihren für § 149 Abs. 1 ZVG erforderlichen Eigenbesitz aufs Spiel setzen. Gläubiger können den Umstand der Zwischenvermietung möglicherweise nutzen, um den Wohnraumschutz auszuhebeln.

(Quelle: Immobilien Zeitung 30.6.2016, Ausgabe 26/2016)