Ohne konkreten Anlass keine Pflicht zur Torschließung

11. Oktober 2021

Das allgemeine Interesse eines Grundstückseigentümers an der Einfriedung seines Grundstücks begründet für sich genommen keinen Anspruch, dass Tore an den Grundstücksgrenzen nach jeder Durchfahrt zu schließen sind. (BGH, Urteil vom 16. April 2021,Az. V ZR 17/20)

Der Fall
Die Parteien sind Nachbarn. Das Grundstück des Klägers ist mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts zugunsten der Beklagten belastet, denen das dahinterliegende Grundstück gehört. Der Kläger errichtete auf dem Weg zwei Tore: eines an der Grenze seines Grundstücks zur öffentlichen Straße und eines an der Grenze zum Grundstück der Beklagten. Mit einer Klage wollte er erreichen, dass seine Nachbarn dazu verurteilt werden, beide Tore nach jeder Durchfahrt zu schließen.

Die Folgen
Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände getroffen werden muss, so der Bundesgerichtshof. Das Einfriedungsinteresse des Eigentümers und das Interesse der Berechtigten an der ungehinderten Ausübung ihres Wegerechts müssen in diesem Fall gegeneinander abgewogen werden. Grundsätzlich sind die Berechtigten dazu verpflichtet, bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks zu schonen (§ 1020 Satz 1 BGB). Wird dieses Recht verletzt, steht dem Eigentümer ein Anspruch auf Schließen der Tore zu (§ 1004 Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 1020 BGB). Das allgemeine Einfriedungsinteresse des Eigentümers losgelöst von jeglichen konkreten Sicherungsbedürfnissen kann jedoch noch keinen solchen Anspruch begründen. Kam es auf dem dienenden Grundstück oder im räumlichen Umfeld hingegen bereits zu Einbrüchen oder ähnlichen Vorkommnissen, so kann das Sicherungsinteresse des Eigentümers höher zu bewerten sein. Auch eine tageszeitliche Begrenzung des Interesses kann bestehen. Andererseits muss berücksichtigt werden, welche konkreten Erschwernisse für die Berechtigten mit dieser Verpflichtung verbunden sind.

Was ist zu tun?
Gerichtliche Auseinandersetzungen sollten vor diesem Rahmen vermieden werden. Die jeweilige Einzelfallentscheidung ist mitunter kaum vorhersehbar und birgt somit erhebliche prozessuale Risiken. In der Praxis empfiehlt es sich bereits bei Bestellung einer Dienstbarkeit, die Interessen des Eigentümers des dienenden Grundstücks durch entsprechende Gestaltung zu wahren. Abgesehen von einer möglichst präzisen Beschreibung des Dienstbarkeitsumfangs können zu diesem Zwecke auch Nebenpflichten des Dienstbarkeitsberechtigten, z.B. das Wiederherstellen der Einfriedung nach jeder Durchfahrt, in die Grunddienstbarkeit aufgenommen werden. Bereits bestehende Dienstbarkeiten sollten nach Möglichkeit einvernehmlich entsprechend angepasst werden.

(Quelle: Immobilien Zeitung 7.10.2021, Ausgabe 40-41/2021)