Schließung im Lockdown gilt als Mangel der Mietsache
Beeinträchtigungen wie Schließung und eingeschränkter Betrieb aufgrund der Corona-Pandemie berechtigen einen Gewerbemieter dazu, die Miete zu mindern. (LG München I, Urteil vom 22. September 2020, Az. 3 O 4495/20)
Der Fall
Die Parteien haben einen Gewerberaummietvertrag für ein Ladenlokal geschlossen, das zum Möbelverkauf genutzt wird. Der Mieter musste sein Möbelhaus inder Zeit vom 18. März bis zum 20. April 2020 aufgrund der Coronaschutzverordnung des Bundeslands schließen. Danach war zunächst nur ein eingeschränkter Betrieb auf einer Teilfläche von 800 m² möglich. Später war – aufgrund des Hygienekonzepts – die Kundenzahl begrenzt und der Umsatz coronabedingt verhalten. Der Mieter minderte die Miete, und der Vermieter klagte das Geld ein.
Die Folgen
Die Miete ist gemindert, entscheidet das LG München. Sowohl während der pandemiebedingten Schließung als auch danach hat ein Mangel der Mietsache bestanden (vgl. „Mietminderung im Lockdown – oder nicht“, IZ 47/20). Mit diesem Urteil knüpft das Gericht an alte Reichsgerichtsrechtsprechung an, übersieht jedoch, dass der BGH (Az. XII ZR 279/97) seit über 20 Jahren bei öffentlich-rechtlichen Beeinträchtigungen der Nutzung nur dann einen Mangel annimmt, wenn diese Beeinträchtigung entweder auf dem Zustand der Mietsache selbst oder ihrer Lage beruht. Daher spricht manches dafür, dass die Obergerichte für vergleichbare Fälle keinen Mangel annehmen werden. Das bedeutet nicht, dass dem Mieter keine Rechte zustehen. Denn es gibt Entscheidungen, wonach er sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage und eine Anpassung des Mietvertrags berufen können soll (LG Mönchengladbach, Az. 12 O 154/20). Wie der BGH entscheiden wird, ist offen. Das Urteil, dass das Rauchverbot in einer Gaststätte keinen Mangel darstellt, ist als Präjudiz ungeeignet, weil es dort nicht um eine vollständige Schließung geht (Az. XII ZR 189/09).
Was ist zu tun?
In der juristischen Fachliteratur wird jede denkbare Lösung vertreten: vollständiger Fortbestand der Pflicht des Mieters zur Zahlung von Miete und Nebenkosten, vollständiger oder teilweiser Entfall der Miete während des Lockdowns bis hin zur Anpassung der Mietzahlungspflicht während der Schließung und in der Folgezeit. Um keine Rechte zu verlieren, sollten betroffene Mieter alle Zahlungen in den einschlägigen Mietverhältnissen unter dem Vorbehalt der Rückforderung leisten. Vorsorglich sollten sie einen Anpassungsanspruch gegenüber dem Vermieter in Bezug auf die Zahlungspflichten geltend machen. Da die Rechtslage ungeklärt ist und es dauern kann, bis eine Grundsatzentscheidung des BGH vorliegt, kann es sich empfehlen, die Folgen der Pandemie im Rahmen eines Nachtrags zum Mietvertrag zu klären. Hierbei sollte jeweils deutlich gemacht werden, ob nur der Zeitpunkt bis zum Abschluss des Nachtrags oder auch die zukünftige Entwicklung geregelt sein soll.
(Quelle: Immobilien Zeitung 26.11.2020, Ausgabe 48/2020)