Sonderkündigungsrecht gilt trotz Pandemie

06. Oktober 2022

Umsatzschwellen in einem Mietvertrag, die einen gewerblichen Mieter für den Fall des Nichterreichens zur Kündigung berechtigen, sind nicht an Zeiten von coronabedingten Betriebsschließungen anzupassen.
(OLG Hamm, Beschluss vom 15. Juli 2022, Az. 30 U 82/22)

Der Fall
Dem Mieter steht laut Mietvertrag das Recht zu, „das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen einmalig zum Ablauf des 31. August 2021 (…) zu kündigen, sofern der in der Geschäftseinheit erzielte Gesamtumsatz in dem Kalenderjahr 2020 gemäß der vom Mieter dem Vermieter testierten Umsatzmeldung weniger als 600.000 Euro netto beträgt“. In den Jahren 2017 bis 2019 erzielte der Mieter einen Umsatz weit über diese Schwelle hinaus. Im Jahr 2020 musste er aber pandemiebedingt seinen Betrieb zeitweise schließen und erreichte deshalb nur einen Umsatz von 540.000 Euro. Im Februar 2021 beendete er unter Vorlage eines testierten Jahresabschlussberichts mit Verweis auf das vereinbarte Sonderkündigungsrecht das Mietverhältnis.

Die Folgen
Der Vermieter argumentiert, dass das Sonderkündigungsrecht einen durchgehenden Betrieb von zwölf Monaten unterstellt. Insofern müsse die vereinbarte Umsatzschwelle bei pandemiebedingten Betriebsunterbrechungen angepasst werden. Das Gericht erteilte dem jedoch eine Absage: Weder nimmt der Wortlaut der Klausel eine solche Einschränkung oder Präzisierung vor, noch ergibt sich eine Notwendigkeit, die Umsatzschwelle wegen des Zusammenspiels mit den sonstigen mietvertraglichen Regelungen, z.B. einer Betriebspflicht, anzupassen. Besonders nachteilig für den Vermieter wirkt es sich in diesem Fall aus, dass einzelne Vertragsregelungen speziell auf die Betriebspflicht des Mieters eingingen, jedoch dies beim Sonderkündigungsrecht gerade nicht der Fall war. Der Wortlaut ist in diesem Fall so weit gefasst, dass selbst ein so besonderer Umstand wie die Corona-Pandemie in der Risikosphäre des Vermieters zu sehen ist.

Was ist zu tun?
Die Regelung zur Betriebspflicht kann ein Argument darstellen, wonach die Umsatzschwelle für einen unterbrechungsfreien Jahresbetrieb vorgesehen wäre. Jedoch müssen sich dann im Mietvertrag alle relevanten Regelungen mit der Betriebspflicht auseinandersetzen. Alternativ können die Parteien ihre zugrunde liegenden Voraussetzungen oder Annahmen für ein Sonderkündigungsrecht im Wortlaut niederlegen. Wenn es zudem – wie hier – der Wunsch der Parteien ist, dem Mieter ein freies Kündigungsrecht zur Halbzeit des Mietvertrags zu gewähren, um auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs reagieren zu können, wäre es ratsam, auf den gleitenden Durchschnitt über einen längeren Zeitraum abzustellen, z.B. der vorausgehenden Wirtschaftsjahre. Hierdurch haben vereinzelte Höhen oder Tiefen einen geringeren Effekt und eine Gesamtbetrachtung des Zeitraums wird möglich.

(Quelle: Immobilien Zeitung 29.9.2022, Ausgabe 39-40/2022)