Stellplatzvorgaben sind nicht zum Schutz des Nachbarn da

19. Mai 2017

Ein Grundstückseigentümer kann die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung nicht wegen einer rechtswidrigen Abweichung von den Vorgaben der Bauordnung oder einer kommunalen Satzung für die Zahl der herzustellenden Stellplätze angreifen. (VGH Hessen, Beschluss vom 25. Oktober 2016, Az. 3 B 2377/16)

DER FALL
Der Betreiber eines Fachmarktzentrums wandte sich per Eilverfahren gegen die Baugenehmigung für ein weiteres Fachmarktzentrum in ca. 100 m Entfernung von seinem Betriebsgrundstück. Nach Meinung des Antragstellers waren die Vorgaben der Baugenehmigung für die Zahl der vom Nachbarn zu errichtenden Stellplätze nicht ausreichend und beruhten auf einer rechtswidrigen Abweichung von der kommunalen Stellplatzsatzung. Der zu erwartende Parkplatzsuchverkehr drohe die Zufahrt zu seinem eigenen Grundstück zu blockieren.

DIE FOLGEN
Der Eilantrag gegen die Baugenehmigung blieb in beiden Instanzen erfolglos. Dabei war es aus Sicht des VGH ohne Belang, ob die dem Grundstücksnachbarn gewährte Abweichung von den Vorgaben der kommunalen Stellplatzsatzung rechtmäßig erteilt worden war oder nicht. Die Regelungen der Stellplatzsatzung seien nicht „drittschützend“; auf ihre Einhaltung hat der Antragsteller daher keinen Anspruch, so die Richter. Eine unzumutbare Beschränkung der Zufahrtsmöglichkeiten zu seinem Grundstück habe der Antragsteller nicht glaubhaft belegt.

WAS IST ZU TUN?
Die Verkehrsanbindung und die Erreichbarkeit haben für die Nutzbarkeit und den Wert eines Grundstücks höchste Bedeutung. Veränderungen der Verkehrssituation infolge von Bauvorhaben in der Nachbarschaft werden von Grundstückseigentümern daher kritisch betrachtet, auch wenn es nicht – wie hier – um das eines Wettbewerbers geht. Allerdings sind die rechtlichen Abwehrmöglichkeiten begrenzt. Das Eigentum am Grundstück bietet grundsätzlich keinen Schutz vor Veränderungen im angrenzenden öffentlichen Verkehrsraum. Eigentümer haben auch keinen Anspruch auf die Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die, wie die Stellplatzvorschriften des öffentlichen Baurechts, eine Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen zum Ziel haben. Nur wenn ein Eigentümer geltend machen kann, durch eine Verschlechterung der Verkehrssituation in rücksichtsloser Weise so betroffen zu sein, dass die Nutzung seines Grundstücks unzumutbar erschwert wird, kann er sich rechtlich gegen das dafür ursächliche Bauvorhaben zur Wehr setzen. Eine solche Prognose muss der Eigentümer aber substanziiert belegen, insbesondere, wenn die verkehrlichen Auswirkungen des Vorhabens von den Behörden geprüft und für hinnehmbar befunden wurden. Eigentümer, die sich ernsthafte Sorgen wegen Zufahrtsbeschränkungen zu ihrem Grundstück wegen eines Nachbarvorhabens machen, müssen deshalb frühzeitig schon im B-Plan- oder im Genehmigungsverfahren den fachlichen Rat eines Gutachters einholen und versuchen, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen.

(Quelle: Immobilien Zeitung 11.5.2017, Ausgabe 19/2017)