Treuwidrige Kündigung wegen Schriftformheilungsklausel
Aus einer formularmäßigen Schriftformheilungsklausel folgt zumindest im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien die Treuwidrigkeit einer auf einen Formmangel gestützten Kündigung. (KG Berlin, Beschluss vom 9. Mai 2016, Az. 8 U 54/15)
DER FALL
Zwischen den Parteien besteht ein langfristiger Gewerbemietvertrag. Darin haben sich beide formularmäßig verpflichtet, „hinsichtlich aller abgeschlossener Vereinbarungen und auch etwaiger Nachtrags-, Änderungs- oder Ergänzungsvereinbarungen die gesetzliche Schriftform der §§ 126, 550 BGB herzustellen und bis zum endgültigen Scheitern ihrer Bemühungen auf das Recht zur Kündigung wegen fehlender Schriftform zu verzichten“. Die Regelung enthält keine Einschränkung, dass diese Verpflichtung nicht gilt, wenn ein Erwerber des Grundstücks als neuer Vermieter in das Mietverhältnis eintritt (§ 566 BGB). Der Mieter kündigt das Mietverhältnis vorzeitig unter Berufung auf diverse Schriftformverstöße, ohne dass er zuvor den Vermieter erfolglos aufgefordert hatte, den Schriftformmangel zu heilen. Der Vermieter hält die Kündigung wegen der Schriftformheilungsklausel für unwirksam. Zu Recht?
DIE FOLGEN
Ja! Der Mieter kann den Mietvertrag nicht wegen Schriftformverstoß kündigen. Denn er ist aufgrund der Schriftformheilungsklausel verpflichtet, die gesetzliche Schriftform herzustellen, und hat bis zum endgültigen Scheitern seiner Bemühungen auf das Recht zur Kündigung wegen fehlender Schriftform verzichtet. Die Klausel hindert zwar einen Grundstückserwerber nicht daran, unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Az. XII ZR 68/10). Im Verhältnis der Parteien, die diese selbst vereinbart haben, folgt daraus aber die Treuwidrigkeit einer auf einen Formmangel gestützten Kündigung, solange nicht erfolglos versucht wurde, die andere Partei zu dessen Heilung zu veranlassen. Der Mieter wird auch nicht unangemessen benachteiligt (gemäß § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Klausel entspricht vielmehr dem Interesse beider Parteien an einer Befristung des Vertrags unabhängig von etwaigen Schriftformverstößen.
WAS IST ZU TUN?
Eine Schriftformheilungsklausel kann auch formularvertraglich zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien wirksam vereinbart werden. Denn für deren Wirksamkeit ist im Lichte des Schutzzwecks des § 550 BGB für einen Grundstückserwerber keine generelle Unwirksamkeit erforderlich. Da sich der BGH bislang noch nicht zur Wirksamkeit der Klausel zwischen den Ursprungsparteien geäußert hat, sollte diese weiterhin dahin gehend beschränkt werden, dass diese nicht für einen zukünftigen Erwerber gilt, der in das Mietverhältnis gemäß § 566 BGB eintritt. Aus Mietersicht ist zudem eine Verpflichtung des Vermieters sinnvoll, im Verkaufsfall einen Nachtrag abschließen zu müssen, wonach sich der Erwerber verpflichtet, die entsprechende Geltung der Schriftformheilungsklausel im Verhältnis zum Mieter anzuerkennen.
(Quelle: Immobilien Zeitung 26.1.2017, Ausgabe 4/2017)