Umgebung des Baugebiets begrenzt das Rücksichtnahmegebot

06. März 2023

Ein Logistikzentrum ist in einer Gemengelage zulässig und verletzt das Gebot der Rücksichtnahme nicht, wenn seit jeher gewerblich genutzte Einrichtungen in der Nachbarschaft vorhanden sind.
(OVG Bautzen, Beschluss vom 2. Januar 2023, Az. 1 A 447/22)

Der Fall
Die Klägerin richtet sich gegen die Baugenehmigung, die dem Beigeladenen für ein in mehreren Bauabschnitten zu verwirklichendes Logistikzentrum erteilt worden war. Das Logistikzentrum befindet sich mangels wirksamen Bebauungsplans in einem ungeplanten Innenbereich. Die Klägerin macht insbesondere geltend, die Baugenehmigung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Hiernach müsse sich das Vorhaben hinsichtlich Nutzungsart, Intensität und Umfang in das Gebiet einfügen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgelehnt und keine Verletzung nachbarschaftlicher Rechte angenommen. Das OVG lehnt den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG ab.

Die Folgen
Das OVG sieht das Gebot der Rücksichtnahme nicht als verletzt an. Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 34 BauGB, die Umgebung ist als Gemengelage zu qualifizieren. In einer solchen geht nur von dem Gebot der Rücksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthalten ist, eine nachbarschützende Wirkung aus. Ein Gebietserhaltungsanspruch nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO besteht in einer Gemengelage nicht, Intensität und Umfang der Nutzung sind nicht maßgeblich. Das betroffene Gebiet ist seit langem von Lagerhallen, Logistikunternehmen, Tankstellen und sonstigen großflächigen Gewerben geprägt, seit jeher bestehen gewerblich genutzte Einrichtungen. Das Gebot der Rücksichtnahme wird durch das geplante Logistikzentrum aufgrund der bereits bestehenden gewerblichen Nutzung nicht verletzt, und die zu erwartenden Immissionen sind nicht als rücksichtslos zu bewerten.

Was ist zu tun?
Entspricht ein Gebiet im ungeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB keinem Baugebiet der BauNVO, sondern liegt eine Gemengelage vor, ist der nachbarrechtliche Schutz auf das Gebot der Rücksichtnahme beschränkt. Maßgeblich ist hierbei die Gebietsprägung durch die baulichen Anlagen, die in der Umgebung bereits bestehen. Die Gebietsprägung begrenzt das Gebot der Rücksichtnahme und damit verbunden den nachbarrechtlichen Schutz. Auf sie können sich Bauherren somit in Gemengelagen berufen, um die Genehmigungsfähigkeit ihrer Bauvorhaben zu begründen. Sie sollten die baulichen Anlagen in der Umgebung ihres Bauvorhabens beachten, die ihre Verpflichtung zur Rücksichtnahme einschränken können. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass auch der nachbarrechtliche Schutz des Bauherrn durch die bereits bestehende Prägung eingegrenzt und seine Möglichkeit, gegen erteilte Baugenehmigungen in der Umgebung vorzugehen, beschränkt wird.

(Quelle: DLA Piper, Rechtsanwalt Fabian Mühlen von DLA Piper in Immobilien Zeitung 2.3.2023, Ausgabe 9/2023)