Umweltverband darf direkt gegen Baugenehmigung klagen
Anerkannte Umweltvereinigungen können wegen Umweltbelangen direkt gegen eine Baugenehmigung klagen. Sie müssen kein Normenkontrollverfahren anstrengen. (VGH Bayern, Beschluss vom 10. Dezember 2020, Az. 9 CS 20.892)
DER FALL
Rechtsanwältin Karima Sameri von CMS.Quelle: CMS
Eine anerkannte Umweltvereinigung im Sinne des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes wandte sich mit einem Eilantrag gegen eine Baugenehmigung für den Neubau eines Logistikzentrums. Der Baugenehmigung lag ein am selben Tag geänderter und speziell auf das Vorhaben zugeschnittener Bebauungsplan zugrunde. Das VG lehnte den Antrag als unzulässig ab. Es verwies die Umweltvereinigung auf einen Normenkontrollantrag gegen den zugrunde liegenden Bebauungsplan. Dagegen erhob die Vereinigung Beschwerde beim VGH Bayern – mit Erfolg.
DIE FOLGEN
Umweltvereinigungen können behördliche Zulassungsentscheidungen gerichtlich angreifen, die unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundes- oder Landesrechts zustande gekommen sind. Der VGH entschied, dass eine Baugenehmigung unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zustande kommen kann, weil sich diese zumindest teilweise in den von der Genehmigungsbehörde zu prüfenden §§ 30 ff. BauGB finden. Auch bei der Zulassung von Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans ist die Anwendung einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift des Landesrechts möglich, wenn der Bebauungsplan in Bezug auf das Vorhaben solche Vorschriften enthält. Hier gab es Festsetzungen zum Artenschutzrecht. Umweltvereinigungen können Umweltbelange dann mit einer Anfechtungsklage auch direkt gegen eine Baugenehmigung vorbringen und müssen sich nicht auf ein Normenkontrollverfahren verweisen lassen. Weder hat das Normenkontrollverfahren Vorrang gegenüber der Anfechtungsklage noch besteht ein allgemeines Verbot der Doppelprüfung von umweltbezogenen Belangen.
WAS IST ZU TUN?
Umweltvereinigungen haben ein Rechtsschutzbedürfnis, gegen Baugenehmigungen klagen zu können. Ein Normenkontrollantrag gegen den zugrunde liegenden Bebauungsplan hilft nicht weiter, wenn sie die fehlerhafte Umsetzung umweltbezogener Festsetzungen des Bebauungsplans rügen. Das konkrete Bauvorhaben kann eine Umweltvereinigung auch nicht mit einem Normenkontrolleilantrag stoppen, weil sich damit nur die vorläufige Aussetzung des Vollzugs des Bebauungsplans, nicht jedoch seine vorläufige Unwirksamkeitserklärung erreichen ließe. Wäre der Normenkontrollantrag erfolgreich, bliebe zudem die Vollziehbarkeit einer ergangenen Baugenehmigung unberührt. Für Bauherren bedeutet die Entscheidung, dass Umweltbelange auch nach Ablauf der Jahresfrist für einen Normenkontrollantrag während der konkreten Vorhabenzulassung durch Umweltvereinigungen auf den Prüfstand gestellt werden können.
(Quelle: Immobilien Zeitung 9.9.2021, Ausgabe 36/2021)