Unstrittiges und Rechtskräftiges auszunehmen genügt
Ein formularvertragliches Aufrechnungsverbot ist auch dann wirksam, wenn entscheidungsreife Gegenforderungen nicht ausgenommen sind. (OLG Hamm, Urteil vom 9. Dezember 2016, Az. 30 U 14/16)
DER FALL
Die Parteien waren über einen Gewerberaummietvertrag verbunden. Dieser schränkt die Aufrechnung des Mieters mit Gegenforderungen auf unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen des Mieters ein. Gleichwohl rechnet der beklagte Mieter nach Vertragsende mit einer strittigen Forderung auf Rückzahlung einer angeblich gezahlten Kaution auf. Das Aufrechnungsverbot hält er für unwirksam, da entscheidungsreife Forderungen nicht ausgenommen sind. Der Vermieter klagt auf Zahlung.
DIE FOLGEN
Das OLG hält die Aufrechnung durch den Mieter für unzulässig und unwirksam. Eine formularvertragliche Einschränkung der Möglichkeiten zur Aufrechnung sei wirksam, auch wenn sie die Aufrechnung mit entscheidungsreifen Forderungen ausschließe. Es genüge, unstreitige und rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen vom Aufrechnungsverbot auszunehmen. Dies war der Fall.
WAS IST ZU TUN?
Seit gut über einem Jahrzehnt wendet der BGH das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (Urteil vom 6. April 2005, Az. XII ZR 158/01) in zunehmender Schärfe auch auf das Gewerberaummietrecht an. Im Bereich der Schönheitsreparaturen sind die Unterschiede zwischen Wohn- und Gewerberaummiete bei den AGB mittlerweile rechtlich vollständig eingeebnet (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2008, Az. XII ZR 84/06). Wie sich die Rechtsprechung hier weiterentwickeln wird, lässt sich nicht prognostizieren. Denn einzelne Grundsätze, wie z.B. die sogenannte „kundenfeindlichste Auslegung“ (BGH, Urteil vom 23. April 2008, Az. XII ZR 62/06), werden nicht stringent durchgehalten. Vielmehr erfolgt eine mitunter schwer nachvollziehbare und stark einzelfallbezogene Anwendung (BGH, Urteil vom 3. März 2010, Az. XII ZR 131/ 08) des Rechts. Man muss jedoch von einer immer strengeren Anwendung der einschlägigen Regelungen ausgehen. Angesichts der potenziellen Langfristigkeit von Gewerberaummietverträgen ist daher der Verwender von formularvertraglichen Regelungen gut beraten, vorsichtig zu agieren und die heute (noch) bestehenden Freiräume bei der Vertragsgestaltung nicht vollständig auszunutzen. Denn wie die Rechtsprechung zu den Schönheitsreparaturklauseln lehrt, kann das, was heute noch zulässig ist, in wenigen Jahren aufgrund neuer Erkenntnisse des BGH als unwirksam behandelt werden. Aufrechnungsverbotsklauseln sollten daher vorsorglich auch entscheidungsreife Gegenforderungen ausnehmen, da dies die Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit erhöht.
(Quelle: Immobilien Zeitung 9.3.2017, Ausgabe 10/2017)