Unwirksamer B-Plan trotz Jury und Öffentlichkeitsbeteiligung

13. Januar 2017

Ein Bebauungsplan ist unwirksam, wenn sich die Gemeinde verfrüht auf die Ergebnisse eines Werkstattverfahrens oder eines städtebaulichen Wettbewerbs festlegt, ohne dass diese hinreichend abgewogen sind. (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. August 2016, Az. OVG 9 A 4.15)

DER FALL
Der Eigentümer eines unbebauten Grundstücks wendet sich gegen den Bebauungsplan (B-Plan) für einen Bahnhofsvorplatz, an den sein Grundstück angrenzt. Um den Straßenverkehr in Bahnhofsnähe neu zu gestalten, veranstaltete die Gemeinde ein öffentliches Werkstattverfahren, in dem die Grundsätze festgelegt wurden; daran schloss sich ein städtebaulicher Wettbewerb an. Auf Basis des Siegerentwurfs setzte die Gemeinde den B-Plan fest. Für das Grundstück des klagenden Eigentümers ist darin die Nutzung als Zufahrt für ein neues Parkhaus festgesetzt, das Grundstück wird damit unbebaubar. Hiergegen setzte er sich zur Wehr.

DIE FOLGEN
Das Gericht hob den B-Plan wegen Abwägungsfehlern auf. So habe sich die Gemeinde zu Unrecht an die Ergebnisse von Wettbewerb und Werkstattverfahren gebunden gesehen. Eine Vorwegnahme der Abwägung durch die Gemeinde sei nur möglich, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist, die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt bleibt und die Vorabentscheidung – unter Beachtung gerade ihrer planerischen Auswirkung – inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Sie muss vor allem den Anforderungen des Abwägungsgebots entsprechen, also auf Basis einer fehlerfreien Ermittlung und Bewertung der abwägungsrelevanten Belange getroffen werden. Dies sei hier nicht gegeben, da die Auswirkungen für den klagenden Eigentümer nicht berücksichtigt worden seien. Er konnte zwar im Werkstattverfahren seine Interessen vortragen, eine Auseinandersetzung mit seinen Belangen sei aber nicht erfolgt.

WAS IST ZU TUN?
Öffentliche Werkstattverfahren und städtebauliche Wettbewerbe sind vor der Festsetzung von B-Plänen für größere Freiflächen oder städtebaulich bedeutsame Grundstücke häufig. Weder eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit noch die Entscheidung einer Jury können aber die planerische Abwägung ersetzen. Die Bindung des Plangebers an die Ergebnisse der vorgeschalteten Verfahren ist unzulässig und kann auch nicht vertraglich begründet werden (§ 1 Abs. 3 BauGB). In Betracht kommt eine informelle Selbstbindung, die Schwelle hierfür liegt aber hoch und kann in einem öffentlichen Werkstattverfahren kaum erreicht werden. Erforderlich ist somit eine ausführliche Auseinandersetzung mit den betroffenen privaten und öffentlichen Belangen im Bebauungsplanverfahren, natürlich unter Verweis auf das Werkstattverfahren oder den städtebaulichen Wettbewerb und die daraus resultierende Legitimation des Entwurfs. Der Plangeber darf sich hieran aber nicht gebunden sehen und muss eine ordnungsgemäße Abwägung vornehmen. Will der Investor gleichwohl Planungssicherheit, kann und muss er Sekundäransprüche (z.B. Kostenerstattung oder Schadenersatz) vereinbaren; dies ist nach der Rechtsprechung zulässig.

(Quelle: Immobilien Zeitung 12.1.2017, Ausgabe 1-2/2017)