Urkundsprozess ist auch im Streit um Lockdown-Miete möglich

23. Mai 2022

Ein Vermieter kann die Mietzahlung im Urkundsprozess geltend machen. Die Frage, ob ein Festhalten am Vertrag aufgrund einer pandemiebedingten Geschäftsschließung unzumutbar ist, muss im Nachverfahren geklärt werden. (BGH, Urteil vom 16. Februar 2022, Az. XII ZR 17/21)

Der Fall
Eine Vermieterin fordert von einer Mieterin im Urkundsprozess die Zahlung restlicher Gewerberaummiete für die Monate April bis Juni 2020. Pandemiebedingt musste das Einzelhandelsgeschäft, das die Mieterin in den Räumen betrieben hatte, von 18. März bis 19. April 2020 eingestellt werden. Danach konnte das Ladenlokal aufgrund von Folgeverordnungen der hessischen Landesregierung nur eingeschränkt genutzt werden. Das Landgericht verurteilte die Mieterin gemäß dem Antrag der Klägerin und behielt ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vor. Das OLG wies ihre Berufung zurück.

Die Folgen
Auch die Revision vor dem BGH hatte in der Hauptsache keinen Erfolg. Das Gericht bejahte die Zulässigkeit des Urkundsprozesses, da die Vermieterin durch Vorlage des Mietvertrags nachgewiesen hat, in welcher Höhe Miete geschuldet war. Der ferner notwendige Nachweis, dass die Mietsache mangelfrei überlassen wurde, war unstreitig. Die Einwendungen der Mieterin, die auf einer Störung der Geschäftsgrundlage basieren, sind im Urkundsverfahren unstatthaft, da mit den zulässigen Beweismitteln nicht nachgewiesen werden konnte, ob das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen pandemiebedingter Betriebsschließungen oder -einschränkungen vorliegt, ist eine umfassende Einzelfallabwägung erforderlich. Eine Herabsetzung der Miete um einen pauschalierten Prozentsatz oder die Annahme eines Regel-Ausnahmeverhältnisses verbieten sich. Neben den Nachteilen, die der Mieter erlitten hat, sind auch finanzielle Vorteile zu berücksichtigen, die beispielsweise aus staatlichen Leistungen erlangt wurden. Auch den Vermieterinteressen kann Bedeutung zukommen, wenn der Vermieter wirtschaftlich auf die Mietzahlung angewiesen ist.

Was ist zu tun?
Das Urteil bestätigt zum einen die bereits vom BGH entwickelten Grundsätze zur Anpassung von Verträgen wegen der Folgen der Covid-19-Pandemie (siehe „BGH verwirft pauschale Halbierung der Miete im Lockdown“). Zum anderen hält der Senat auf prozessualer Ebene fest, dass der Mieter für Einwendungen gegen die Mietzahlungspflicht aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage darlegungs- und beweispflichtig ist. Diese Einwendungen können im Urkundsverfahren – mangels Beweisantritts mit den hierfür zulässigen Beweismitteln – nicht statthaft behandelt werden, sodass deren Ausführung dem Nachverfahren vorbehalten ist. Der Vermieter erlangt in solchen Fällen ein vorläufig vollstreckbares Urkundsvorbehaltsurteil.

(Quelle: Immobilien Zeitung 19.5.2022, Ausgabe 20/2022)