Verschattung einer PV-Anlage ist trotz Gaskrise zu dulden
Auch nach Beginn des Ukraine-Kriegs kann ein Nachbar sich nicht gegen die Verschattung seiner Photovoltaikanlage wehren, wenn das Bauvorhaben die Abstandsflächen einhält.
(OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Dezember 2022, Az. 2 B 1103/22)
Der Fall
Gegenstand des Rechtsstreits war ein öffentlich-rechtlicher Nachbarstreit: Der Eigentümer eines Hauses, auf dessen Dach sich eine Photovoltaikanlage befindet, die zur Solarthermieanlage ausgebaut werden soll, wendete sich gegen die Baugenehmigung, die seinem Nachbarn erteilt wurde. Dieser wollte ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten errichten. Seinen Widerspruch begründete der Eigentümer unter anderem damit, dass der neue Sechsgeschosser seine Solarthermieanlage verschatten würde, was deren Auslastung beschränke. Dies verstoße gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 die energetische Situation verschärft habe, meint der Eigentümer, denn es sei zu einer Strom- und Gaskrise gekommen. Der Bauherr berief sich insbesondere darauf, dass sein Vorhaben sich in die nähere Umgebung einfüge und die Vorgaben des Abstandsflächenrechts einhalte.
Die Folgen
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschied zugunsten des Bauherrn. Zunächst hat der Eigentümer die Verschattungswirkung, die er behauptete, nicht genau genug dargelegt. Vor allem aber sieht das Gericht keinen konkreten baunachbarrechtlichen Ansatzpunkt, aus dem sich ergibt, dass bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme bereits bestehenden Photovoltaikanlagen auf Hausdächern und ihrem geplanten Ausbau zu Solarthermieanlagen ein besonderes Gewicht bzw. ein Vorrang gegenüber einem zulässigen Bauvorhaben zukommt, das insbesondere die Abstandsflächen der Bauordnung einhält. An dieser rechtlichen Einschätzung ändert auch der Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 – und die hiermit verbundene Debatte um den Ausbau erneuerbarer Energien – nichts.
Was ist zu tun?
Bei der Installation von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen ist in den Blick zu nehmen, dass Nachbargrundstücke bebaut oder bestehende Bebauungen erweitert werden könnten. Es gibt keinen Anspruch darauf, dass Nachbarn bei ihren Bauvorhaben über die abstandsflächenrechtlichen Vorgaben hinaus Rücksicht auf die Auslastung angrenzender Solaranlagen nehmen. Sofern das Nachbargrundstück bebaut wird, müssen Eigentümer etwaige nachteilige Auswirkungen auf den Betrieb ihrer Solarthermieanlage im Einzelnen vortragen und belegen. Allgemeine Hinweise auf die Bedeutung der Solarthermie reichen nicht.
(Quelle: Luther, Rechtsanwältin Dr. Rut Herten-Koch von Luther in Immobilien Zeitung 26.1.2023, Ausgabe 4/2023)